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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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konnte.
    »Du bist ein tüchtiger Junge, Leo. Wir sind alle stolz auf dich. Werd bald wieder gesund.«
    Sichtlich erschöpft stand der Priester auf, dabei musste er sich auf die Lehne stützen. Er blieb noch einen Moment stehen und betrachtete dieses bleiche Gesicht, an dem nur die roten Haare und die Sommersprossen einen Kontrast zum weißen Laken bildeten, dann hob er die rechte Hand und segnete ihn mit halblauter Stimme. Schließlich sah er zu den beiden Beamten hinüber.
    »Gehen wir?«
    »Wann immer Sie wollen, Pater. Wir sind bereit.«
    In diesem Moment betrat ein Arzt in Begleitung einer Krankenschwester den Raum. Als er die Besucher bemerkte, hob er erstaunt eine Augenbraue, ehe er sich über den Patienten beugte.
    »Könnten Sie draußen Platz nehmen, danke.« Die Krankenschwester schien nicht weiter beeindruckt von den Uniformen, ihre Aufforderung war mehr als deutlich gewesen.
    »Wir wollten gerade gehen«, antwortete einer der Beamten leicht gereizt, wahrscheinlich der mit dem höheren Dienstgrad, denn bis jetzt hatte nur er etwas gesagt.
    Leonardos Mutter saß im Flur auf einem blauen Plastikstuhl und wartete darauf, dass sie noch einmal in das Zimmer konnte, um ihrem Sohn Gute Nacht zu sagen, ehe sie nach Hause ging. Als sie den Priester in Begleitung der beiden Beamten herauskommen sah, warf sie ihm einen vorwurfsvollen Blick zu.
    Don Mario erwiderte ihn, ohne seine Augen zu senken.
     

KAPITEL 82
    Freitag, 9. März, 17:00 Uhr
    Achtung, Kameraden!
Wir werden den Feind ins Herz treffen.
Geschlossen ziehen wir zum Sieg.
Die Idee wird triumphieren
und unsere Rache sein.
Vereint, für jetzt und für immer,
ehren wir unsere Kameraden!
Wir ehren die Verteidiger
der »Befreiten Zonen«.
Acido und Klaus:
Gekaufte Gefolgsleute,
schändliche Verräter,
euer Kriechen zu Füßen der feindlichen Schergen
wird von unseren Helden bestraft werden!
Eure Schuld wird mit Blut abgewaschen werden.
TOD!TOD!TOD!TOD!
gezeichnet:
    SNOB
Sangue Nero Onore Bianco - Schwarzes Blut Weiße Ehre
     
    Anstelle von Anführungszeichen die finsteren Runen der zwei schräggestellten S.
    Anstelle von i-Punkten viele kleine Hakenkreuze.
    Und dann die Abkürzung SNOB in je einem der vier Felder des Keltenkreuzes.
    Ein Reporter der Mailänder Redaktion der »Repubblica« hatte dieses Flugblatt gefunden, war nach Erhalt eines anonymen Anrufs, ohne jemandem Bescheid zu sagen, damit ihm die Sensationsmeldung nicht durch die Lappen ging, unverzüglich in ein Taxi gesprungen, einmal quer durch Mailand gefahren und hatte es aus einem Abfallkorb an der Piazza Tricolore gefischt.
    Sobald er es in Händen hielt, brach er in Gelächter aus. Das war alles?
    Der übliche, schon längst überholte Schwachsinn, dachte er.
    Doch er irrte sich.
    Schwachsinn, vielleicht.
    Aber keineswegs überholt, denn es gab einen aktuellen Bezug.
    Dem sonst so aufmerksamen Reporter war nämlich entgangen, dass genau an diesem Tag vor fünf Jahren Luigi Ciavardini wegen des Bombenanschlags auf den Bahnhof von Bologna zu dreißig Jahren Haft verurteilt worden war.
    Ciavardini war angeklagt, an dem Attentat vom 2. August 1980 beteiligt gewesen zu sein: fünfundachtzig Tote, mehr als zweihundert Verletzte, der halbe Bahnhof und auch die Demokratie waren danach stark einsturzgefährdet.
    Dieses Urteil, das 2002 vom Schwurgericht Bologna ergangen und dann am 17. Dezember 2003 vom Kassationsgericht in erster Instanz zunächst aufgehoben wurde, war am 13. Dezember 2004 von der Jugendabteilung des Schwurgerichts von Bologna bestätigt worden.
    Nicht nur das, in diesen Märztagen beriet das Kassationsgericht in zweiter Instanz über die Zulassung der Berufungsklage, die die Anwälte des ehemaligen aktiven Mitglieds der militanten rechten Szene mit der Begründung einlegten, ihr Mandant sei zum Zeitpunkt des Anschlags noch minderjährig gewesen.
    Dem Reporter, der sich gerade mit der Affäre um die illegalen Telefonmitschnitte befasste, entging der Zusammenhang mit dem Jahrestag der ersten Urteilsverkündung. Auch kam es ihm nicht in den Sinn, dass diese Worte doch eine konkrete Bedeutung, eine Botschaft enthalten konnten, denn in letzter Zeit hatte es keine Anschläge gegeben, und daher konnte das Flugblatt nicht als ein Bekennerschreiben aufgefasst werden.
    Er nahm es als Lückenbüßer für die dritte Seite. Eine Kurznachricht mit dem ironischen Titel »Vintage jetzt auch in der Politik - die rechte Szene recycelt ihre düsteren Slogans aus den Siebzigern«.
    Nachdem er alles

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