Denn dein ist die Schuld
seinen Anfang nimmt, dazu einen Pfarrer, der sich selbst sexueller Gewalt gegenüber einem Kind beschuldigt, aber dann von seinem Bischof reingewaschen wird. Da scheint mir die Überlegung nur logisch, dass das Eingreifen von Seiner Eminenz etwas mit einem bestimmten Dispens zu tun hat - nennen wir es einmal Befreiung vom Beichtgeheimnis oder so etwas in der Art. In diesem Fall könnte der Pfarrer den Namen des Mörders oder der Mörder kennen. Oder die der Hintermänner in dieser schmutzigen Angelegenheit. Der Pfarrer wird aus dem Hausarrest entlassen, doch die Nachricht darüber wird nicht verbreitet, und das kann nur eines bedeuten: Er ist nach Hause gegangen, um den Köder zu spielen …«
»Er wird gut überwacht, Dottoressa … Sandra. Und … ja. Ihre Annahmen sind ziemlich nah an der Wahrheit. Selbst wenn es sich nicht genau so abgespielt hat. Eine Befreiung vom Beichtgeheimnis hat es nie gegeben. Aber darüber müssten Sie eigentlich mehr wissen, da Seine Eminenz mit Ihrem höchsten Vorgesetzten gesprochen hat …«
»Der alles an die SCO weitergegeben hat!«
Leoni hätte sich am liebsten auf die Lippe gebissen, aber jetzt war es schon heraus. Sie hatte die Konkurrenz zwischen beiden Abteilungen erwähnt. Und ihre Wut darüber verraten. Doch Tenente Colonnello Glauco Sereni war Gentleman genug, um so zu tun, als hätte er dies nicht gehört. »Also, worauf wollen Sie eigentlich hinaus?«
»Auf die beiden Typen, die diesen armen Jungen in der Kirche wer weiß wohin bringen wollten und die man dabei erwischt hat. Einer der beiden ist der Stiefbruder oder so etwas Ähnliches der beiden Kinder. Ich glaube nicht, dass dies ein Zufall ist.«
»Wir auch nicht, aber …«
»Aber ich bin zu Ihnen gekommen, um Sie zu bitten, ein weiteres Doppelverhör anzusetzen. Mein direkter Vorgesetzter, Dottor Marino, hat mir freie Hand in den Ermittlungen gelassen. Ich glaube, dass ich ein paar Fragen an die beiden habe. Könnten Sie das arrangieren?«
Der Offizier sah sie an wie ein Insektenkundler, der ein besonders seltenes Exemplar einer unbekannten Kakerlakenart entdeckt hat.
»Dottoressa, wissen Sie eigentlich, dass Sie mich jetzt um etwas sehr … äh … Ungewöhnliches bitten? Sie hätten sehr gut mit Staatsanwältin Scauri darüber reden können. Warum fragen Sie mich?«
Die Leoni atmete tief durch. Los, immer vorwärts, geh drauflos! Und zur Hölle mit der ganzen Erde!
»Natürlich hätte ich direkt mit Dottoressa Scauri reden können. Aber ich habe höchstes Vertrauen in Ihre Männer und Ihre Fähigkeiten, ein Verhör zu führen, Glauco …«
Schmeichelte sie ihm? Ja, ein bisschen. Als die Leoni es bemerkte, nahm sie sich zusammen und änderte ihren Ton ein wenig.
»Ihre Leute sind zuerst am Tatort gewesen. Haben die beiden sozusagen auf frischer Tat erwischt. Und haben mit den Ermittlungen begonnen. Was für einen Sinn hätte es, sich da einzumischen? Nein, alles, was ich von Ihnen will, ist, dass Sie gemeinsam mit mir ein Verhör durchführen, in dem ich mich im richtigen Moment mit ein paar Fragen einschalten darf. Außerdem will ich gemeinsam mit Ihnen eine Strategie für die weitere Vorgehensweise festlegen.«
»Sie meinen, unsere Kräfte bündeln? Na, das scheint mir nur vernünftig. Es wird aber nicht ganz einfach sein und geht nicht sofort, wir müssen erst die Verteidiger verständigen, und vielleicht will auch der Staatsanwalt anwesend sein. Aber …«
»Ach, noch etwas, Glauco. Ich möchte gern, dass die Verhöre in zeitlich nahem Zusammenhang geführt werden.«
»Und sonst? Noch etwas?«
»Nein danke. Das ist alles.«
Sereni stand auf und streckte ihr die Hand hin. Das Gespräch war beendet.
»Ich gebe Ihnen so schnell wie möglich Bescheid. Aber ich habe noch eine Bedingung. Dottor Marino soll ebenfalls anwesend sein.«
»Aber sicher, überhaupt kein Problem.«
Leoni schüttelte kräftig seine Hand und lächelte so breit, dass sie sich beinahe den Kiefer ausrenkte.
Verdammter Macho!
KAPITEL 88
Montag, 12., und Dienstag, 13. März
Leonardo Coronaris Zustand war jetzt stabil. Das große Hämatom am Rückenmark hatte sich beinahe vollständig aufgelöst. Die Ärzte entschieden bei der Abendvisite, man könne jetzt das künstliche Koma beenden. Eine halbe Stunde darauf leitete man die Aufwachtherapie ein, aber es dauerte eine ganze Stunde, bis der Patient sich langsam aus den Watteschichten löste, die ihn tagelang umgeben hatten.
Als Erstes nahm Leonardo ein intensives Kribbeln
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