Denn dein ist die Schuld
herausbekommen, Vince. Ich bin mir sicher, dass dort der Schlüssel zu allem liegt. Denn für die Geschehnisse in Rozzano und den Fall Simonella gibt es ein gemeinsames Muster. Darauf würde ich meinen Dienstausweis verwetten. Und was ist mit dem Jungen im Krankenhaus? Ist jemand von uns dort, um ihn zu befragen, sobald er in der Lage ist - falls er das je sein wird -, uns zu erzählen, was passiert ist? Und die anderen Verdächtigen? Wie weit sind wir mit den Staatsanwälten? Was ist mit den Abhörungen? Hör mal, ich hab da eine Idee. Ich möchte gern die Mutter der Kinder aus Rozzano besuchen. Die hat niemand mehr befragt. Sie nicht und auch nicht ihren schmarotzerischen Lebensgefährten. Ich bin mir sicher …«
»Na gut, meinen Segen hast du, Leoni. Doch vorher schau mal in die Abhörprotokolle. Vielleicht findest du da einen Anhaltspunkt für die richtigen Fragen.«
»Richtig. Danke, Vince. Ich musste einfach ein wenig Dampf ablassen.«
»Aber gern, Leo’. Sag mir aber eins. Warum wolltest du mich hier in der Bar treffen?«
»Ich hatte Lust auf einen richtigen Cappuccino, Vince.«
Marino lachte laut. Und zeigte auf ihre beinahe unberührte Tasse.
»Ach wirklich?«
Beide erhoben sich gleichzeitig, und er ging zur Kasse. Ein bisschen enttäuscht, denn eine Frage hätte sie ihm noch stellen sollen.
Warum stand der Pfarrer immer noch unter Hausarrest?
Eigentlich nur eine klitzekleine, banale Frage. Aber sie hatte sie nicht gestellt. Die Kleine musste ihren Gesichtskreis ein wenig erweitern, wenn sie bei ihnen in der Abteilung bleiben wollte.
Leoni versuchte nicht sehr überzeugend, ihren Cappuccino, den sie nicht getrunken hatte, selbst zu bezahlen. Trotzdem war sie sehr zufrieden mit dem Verlauf ihres Gesprächs. Sie hatte sich die Ermittlungen in alle Richtungen gesichert, ohne dass sie ihn selbst darum gebeten hatte. Was zumindest nicht korrekt gewesen wäre. Eine grenzenlose Amtsanmaßung ihren Kollegen Ragazzoni und Pogliani von der Mordkommission gegenüber. Genau wie denen von der SCO, aber die sollten bleiben, wo der Pfeffer wächst!
Äußerst beschwingt ging sie in ihr Büro im Polizeipräsidium zurück. Sie hatte eine klare Vorstellung im Kopf und konnte es gar nicht abwarten, sie zu überprüfen. Musste jetzt sehr viele Leute hören.
Vor allem die Mutter der Kinder aus Rozzano. Dann den Pfarrer.
Auf Umwegen hatte sie erfahren, dass er seit dem Besuch des Bischofs im Präsidium nicht mehr unter Hausarrest stand, doch darüber würde Schweigen bewahrt, und der Grund dafür war nicht schwer zu erraten. Sie hätte sich gefreut, wenn Marino mit ihr darüber gesprochen hätte, aber der - kein Wort. Da hatte sie begriffen, dass sie allein vorgehen musste, um an Informationen zu kommen.
In ihrem Bild spielte auch der Hilfspfarrer, dieser Don Andrea, eine Rolle, der immer so wenig greifbar war und dessen Name sich nicht einmal in den Akten fand. Und es war schon offensichtlich, dass alles dort in dem Gemeindezentrum begonnen hatte.
Und …
Der Rest würde ihr schon während der Ermittlungen einfallen.
KAPITEL 87
Montag, 12. März, 15:00 Uhr
Tenente Colonnello Glauco Sereni machte nicht gerade Freudensprünge, als Ispettrice Sandra Leoni vor ihm stand.
Na ja, sie war schon hübsch, das musste man ihr lassen. Aber diese weiten Hosen mit den vielen Taschen, dieses T-Shirt und die Jacke wie aus der Altkleidersammlung!
Er trug an diesem Morgen Zivil. Einen blaugrauen Kaschmiranzug, hellblaues Hemd, eine Krawatte mit einem genau zum Anzugstoff passenden Streifen und natürlich blitzblank geputzte Schuhe.
Wie schade, dachte Sandra Leoni beim Händeschütteln, so ein attraktiver Mann und dann so … Carabiniere!
»Welchem Grund verdanke ich Ihren Besuch, Ispettrice Leoni?«
»Den Ermittlungen, Dottor Sereni. Oder soll ich Sie lieber Tenente Colonnello Sereni nennen?«
»Nennen Sie mich doch Glauco, Dottoressa, das macht alles ein wenig einfacher. Wenn Sie erlauben, werde ich Sie auch bei Ihrem Vornamen nennen, Sandra, richtig?«
»Natürlich, Glauco. Also, ich bin gekommen, weil ich die Überzeugung gewonnen habe, je weiter wir uns in die Entführung des Simonella-Babys vertiefen, dass der Fall irgendwie mit dem Verschwinden der beiden Kinder aus Rozzano zusammenhängt, in dem Sie als Erste ermittelt haben.«
»Woher kommt Ihre Überzeugung, Dottoressa?«
»Nennen Sie mich doch bitte Sandra. Also gut, Glauco. Spielen wir mit offenen Karten. Da gibt es ein Gemeindezentrum, in dem alles
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