Denn dein ist die Schuld
zusätzlich zu den zwei Ölheizungen noch einen kleinen Ofen aufstellen sollte. Die beiden spendeten so wenig Wärme, dass sogar das Wasser im Weihwasserbecken gefror.
Es war so kalt, dass er die Wölkchen seines eigenen Atems sehen konnte. Er musste diesen Raum so schnell wie möglich verlassen, sonst würde er Bauchschmerzen bekommen wie immer, wenn er sich verkühlte. Don Mario wollte gerade den großen Paramentenschrank schließen, als ihn die Nachricht erreichte.
Caterina, eine der Damen von San Vincenzo, die das Pech hatte, auf dem gleichen Stockwerk wie die Familie Donadio-Della Volpe zu leben, aus deren Wohnung jeden zweiten Abend Geschrei, Weinen und Geräusche von lauten Schlägen zu hören waren, teilte ihm mit, dass Ivan Della Seta und seine Schwester am vergangenen Abend nicht nach Hause gekommen waren und dass die Carabinieri schon nach ihnen suchten.
»Dort geht es zu wie in einem Taubenschlag! Ein einziges Durcheinander, ein ständiges Kommen und Gehen!«
Don Mario wartete zunächst ungerührt ab, dass die Frau ihre weitschweifigen Ausführungen beendete und zur Sache kam. Er kannte sie genau! Doch als sie ihn bat, die arme Donadio zu besuchen, die den Verstand verloren zu haben schien und in ihrer Verzweiflung mit dem Kopf gegen die Wand schlug, begann er doch, sich Sorgen zu machen.
»Noch einmal von vorn, bitte, Caterina.«
»Habe ich mich etwa nicht klar ausgedrückt, Don Mario? Also, ich bin gekommen, um Ihnen zu sagen, dass Ivan, Sie wissen schon, dieser Junge, der so schön singt, na, der und seine jüngere Schwester, die kleine Martina, sind gestern Abend nicht nach Hause gekommen und sind wie vom Erdboden verschluckt.«
»Sie sind nicht nach Hause gekommen?«
»Das habe ich Ihnen doch gesagt, Hochwürden.«
Signora Caterina hob die Augen zum Himmel. Wann würde Don Mario endlich mal sein Hörvermögen überprüfen lassen?
»Seit gestern Morgen, als sie das Haus verlassen haben, um in die Schule zu gehen, hat sie niemand mehr gesehen. Die Mutter ist gestern Nacht regelrecht durchgedreht. Dann sind die Carabinieri gekommen, und jetzt kann die arme Frau überhaupt keinen klaren Gedanken mehr fassen.«
»Aber Ivan war doch gestern Nachmittag hier in der Chorprobe. Er ist mitten im Halleluja gegangen, weil er seine kleine Schwester von der Schule abholen musste. Das hat man mir erzählt …«
Don Mario rieb nachdenklich sein Kinn und merkte sich innerlich vor, dass er sich rasieren musste.
»Also, Don Mario, Sie glauben auch alles. Wer weiß, wo der Junge wirklich hingegangen ist. Außerdem, bei ihm zu Hause ist ja nie jemand, der arme Kleine. Da gibt es nie etwas Warmes zu essen, nie sind die Betten gemacht. Manchmal lasse ich sie zu mir in die Wohnung kommen, vor allem das Mädchen, die kleine Martina, und mache ihnen einen Milchkaffee, aber wissen Sie, mehr kann man eben nicht tun …«
»Aber wenn auch das Mädchen verschwunden ist, dann heißt das doch, dass er sie abgeholt hat …«
Als Don Mario aufsah und bemerkte, wie in den Augen der Frau Neugier aufblitzte, verstummte er auf der Stelle.
»Also gut, Caterina. Danke, dass Sie zu mir gekommen sind, um mich zu informieren. Ich werde sehen, was ich tun kann. Sie können jetzt getrost gehen, gehen Sie nur …«
Das war eine mehr als deutliche Verabschiedung. Trotzdem ließ sich die Frau nicht so leicht abfertigen.
»Übrigens, die zwei haben auch gestern Nacht gestritten.«
»Gut, gut. Haben Sie doch ein wenig Mitleid mit der armen Frau. Es ist nicht sehr christlich, über das Unglück seiner Mitmenschen zu reden …«
»Von wegen arme Frau!« Caterina empörte sich angesichts so großer Nachsicht. »Die würde sich doch glatt totschlagen lassen, wenn sie damit ihren Kerl halten kann. Und dann noch vor den Kindern. Ich höre das, wissen Sie, all das Geschrei aus dieser Wohnung. Und dabei sind die zwei noch nicht mal verheiratet. Fanigotùn . So ein Nichtsnutz! Der kann nur eins, ihr sauer verdientes Geld zum Fenster rausschmeißen! Warum wirft sie den eigentlich nicht hinaus? Sagen Sie mir das mal!«
»Das reicht jetzt!«
Diese klare Aufforderung und der ausgestreckte Arm, der zur Tür wies, ließen die Frau so plötzlich verstummen, als hätte jemand einen Schalter umgelegt.
»Also dann, guten Tag, Don Mario, ich habe nur meine Pflicht getan«, verabschiedete sie sich kühl.
»Auf Wiedersehen, Caterina.«
Als er allein war, ordnete der Priester unter dem düsteren Blick der in die Türen des massiven Holzschrankes
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