Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
Vom Netzwerk:
drückte sich so fest er konnte in den Sitz. Er legte seine Hände schützend vor den Kopf wie dann, wenn seine Mutter ihm hinterherlief, um ihn zu verprügeln. Dann schloss er die Augen und wartete auf das Unvermeidliche.
     

KAPITEL 10
    Dienstag, 6. Februar, 23:00 Uhr
    Gegen dreiundzwanzig Uhr dreißig ging die Suchmeldung heraus.
    Auf der Carabinieristation von Rozzano war ein Paar erschienen, die Frau, Annamaria Donadio, fünfunddreißig Jahre alt, doch sie wirkte wie fünfzig, platzte beinahe aus ihren Jeans, war blond gefärbt mit einem deutlich sichtbaren dunklen Haaransatz und versuchte erfolglos, unter einer widerspenstigen Strähne einen großen violetten Bluterguss zu verbergen, der allmählich über ihrem linken Auge bis zur Wange hin anschwoll. Wenn sie eine genauere Untersuchung zugelassen hätte, hätte man dort den deutlichen Abdruck von vier Knöcheln erkennen können. Ein Faustschlag mitten ins Gesicht.
    Ihr Gesicht, zumindest der Teil davon, den sie nicht mit Haaren oder dem Kragen ihrer schwarzen Bomberjacke bedeckte, trug einen kämpferischen Ausdruck, als rechnete sie schon damit, sich verteidigen zu müssen.
    Der Mann, Giulio Della Volpe, ihr Lebensgefährte, um die vierzig, ein großer, schlanker Typ, der seine dünnen Haare zu einem fettigen Pferdeschwanz zusammengebunden hatte und der so schäbig und heruntergekommen wirkte wie jemand, der sich gehen ließ, schien vor allem stinkwütend zu sein.
    Die Frau drückte den Knopf an der Sprechanlage und sagt dass sie Anzeige erstatten wollten.
    »Anzeigen erst wieder morgen früh ab acht Uhr dreißig. Im Moment ist kein zuständiger Beamter da. Oder Sie fahren nach Mailand zum Provinzkommando«, entgegnete der Offizier an der Pforte.
    »Aber es geht um zwei Kinder, meine beiden Kinder«, schrie Annamaria.
    »Minderjährig?«
    »Kinder, na klar sind die minderjährig!«
    »Ach so, dann kommen Sie mal rein.«
    Der Türöffner summte. Annamaria und Giulio überquerten den betonierten Innenhof, aber ehe sie die Stufen zum Kasernengebäude erreichten, blieb er stehen und packte sie am Arm.
    »Geh du allein.«
    »Kommst du nicht mit?«
    »Nein. Ich warte lieber draußen im Auto. Du bist doch ihre Mutter, oder? Was habe ich damit zu tun?«
    Annamaria antwortete nicht. Sie hielt den Kragen der Bomberjacke fest nach oben geklappt und ging weiter, denn sie hatte nichts anderes erwartet. Giulio hatte schon immer allergisch auf Uniformen reagiert. Vor allem, seit er sich jeden Tag bis sieben Uhr abends melden musste, um sich ins Register einzutragen, weil dies seine Bewährungsauflagen vorschrieben.
    Noch zu Hause, als sie dasaß, nervös die Hände knetete und die Uhr an der Küchenwand anstarrte, hatte er ihr gesagt, sie sollte nicht zu den Carabinieri gehen.
    »Was soll der Scheiß? Die kommen schon noch. Lass uns ins Bett gehen, du wirst sehen, die sind bald wieder da.«
    »Spinnst du, du Scheißkerl«, hatte sie ihn angeschrien, obwohl ihr klar war, dass sie damit heftige Prügel riskierte, denn üblicherweise schlug er sie schon wegen wesentlich weniger. »Siehst du denn nicht, dass es schon fast elf Uhr ist?«
    »Und was soll das heißen? Sie werden schon irgendwo sein. Vielleicht bei einem Schulfreund. Vielleicht haben sie dort Hausaufgaben gemacht und sind dann noch zum Abendessen geblieben. Keine Sorge, die liefert sicher bald jemand hier ab. So einen wie Ivan will doch keiner geschenkt haben, das sage ich dir!«
    »Und das Mädchen? Hm? Was ist mit Martina? Die fällt doch sonst schon um acht Uhr fast ins Bett. Nein, weißt du was, ich gehe jetzt …«
    »Wo willst du denn hin, du dumme Kuh? Meinst du nicht, dass du es mit deinem Muttergeglucke etwas übertreibst? Sonst bist du doch auch nie da!«
    »Ich bin nur deswegen nie da, weil ich arbeiten muss. Ich arbeite, hast du verstanden? Nicht so wie du, du zockst ja nur an den Spielautomaten.«
    »Du bettelst ja gerade darum, dass ich dir heute Nacht noch eine verpasse … Also gut, mach doch, was du willst. Geh doch! Hau ab, das ist auch besser so …«
    Sie hatten sich angefaucht wie zwei rollige Katzen.
    Wie immer.
    Er hatte ihr auch ein paar allerdings nicht zu feste Ohrfeigen versetzt, denn er hatte ihr schon gestern einen hübschen blauen Fleck verpasst, und wenn sie wirklich zu den Bullen gehen wollte, sollte sie dort einigermaßen passabel aussehen.
    Über das Geschrei und die Schläge war es Viertel nach elf geworden.
    Fünf Minuten später hatten sie beide Schuhe und Jacken angezogen und

Weitere Kostenlose Bücher