Denn dein ist die Schuld
er Fieber und außerdem Krämpfe. Sie wissen doch, wie sehr die beiden aneinander hängen.«
Im Gegensatz zur Mutter ließen Don Mario diese Worte nicht ungerührt. Sein Blutdruck stieg so abrupt an, dass er hochrot im Gesicht wurde.
»Und du, Annamaria? Wie … Wie kannst du nur …«
Vor Empörung fehlten ihm die Worte. Am liebsten hätte er diese Frau, diesen schlaffen Fleischberg, an den Haaren gepackt und ihren Kopf so lange geschüttelt, bis ihr das wurmstichige Gehirn zu den Ohren herauskam. Doch er begriff, dass dies nicht der richtige Moment war. Diese unglückselige Frau machte schon zu viel mit. Also wechselte er das Thema.
»Erzähl mir von Giulios Sohn. Der heißt Andrea, nicht?«
»Was soll ich Ihnen sagen? Der kümmert sich um seinen eigenen Kram. Arbeitet, wenn er Lust dazu hat. Ich glaube, jetzt hilft er in der Pizzeria Ceppo d’oro aus, die kennen Sie doch?«
»Ja und?«
»Und was?«
»Wie behandelt er die Kinder, wenn er hier ist?«
»Ganz normal«, meinte die Frau und zuckte mit den Schultern. »Aber der kommt selten her. Außerdem glaube ich, dass er jetzt eine Freundin hat, denn er ist ständig auf dem Sprung, kaum ist er da, ist der auch schon wieder weg. Was glauben Sie denn, was interessieren einen Kerl von fünfundzwanzig zwei Kinder, die noch nicht mal seine eigenen Geschwister sind?«
»Wie lange lebst du schon mit Giulio zusammen?«
»Was soll das, Don Mario? Sind wir hier etwa im Beichtstuhl?« Annamaria bekam plötzlich einen Wutanfall. »Die Carabinieri haben uns schon genug ausgequetscht.«
Doch der Priester ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Ich kenne Ivan, Annamaria«, erklärte er ihr, und seine Wut ließ seine Stimme so flach und unpersönlich klingen wie die eines Anrufbeantworters mit der Ansage: »Hinterlassen Sie bitte eine Nachricht«. »Ivan ist ein guter Junge. Er verbringt beinahe jeden Nachmittag im Jugendzentrum. Er gehört nicht zu denen, die sich selbst in Schwierigkeiten bringen. Sobald ich deine Wohnung verlasse, werde ich zu den Carabinieri gehen, um mich ihnen zur Verfügung zu stellen. Doch zunächst möchte ich etwas mehr erfahren. Wir wollen doch alle, dass deine Kinder nach Hause zurückkommen, oder nicht?«
»Und was soll ich Ihnen da sagen, Don Mario? Was wollen Sie von mir wissen?«
»Vor allem, ob dein Lebensgefährte und sein Sohn sich mit ihnen verstehen. Ob sie mit ihnen streiten, ob sie ihnen je etwas angetan haben …«
»Was angetan? Was denn?«
»Sie geschlagen haben. Oder Schlimmeres?«
»Nein, nein«, erklärte die Frau hastig, die nicht dumm war und erkannte, worauf der Pfarrer hinauswollte. »Die beiden haben Ivan und Martina nie etwas getan. Ich habe Ihnen doch schon gesagt: Sie schlagen mich, und wenn Sie so etwas denken, dann irren Sie sich. Ja, ich weiß, mein Kerl ist kein Unschuldsengel. Er trinkt manchmal. Man hat ihn wegen Drogen ins Gefängnis gesteckt, aber er war unschuldig. Er hatte nur die Menge für den persönlichen Bedarf bei sich, aber erzählen Sie das mal diesen Typen in Uniform … Bis letztes Jahr hing er ganz übel an der Nadel, und auch jetzt jagt er sich ab und zu eine Spritze rein, wenn er das Geld dazu auftreibt … Aber die Kinder hat er nie angefasst. Er ist doch keiner von diesen widerlichen Kerlen, die man in den Talkshows im Fernsehen zeigt.«
Die Frau schien aufrichtig zu sein, aber das hieß noch nichts. Wie hätte sie etwas merken sollen, wo sie doch den ganzen Tag außer Haus war? Wahrscheinlich wusste sie gerade noch, wie ihre Kinder aussahen.
»Wie sieht dein Tag aus, Annamaria?«
»Mein Arbeitstag, meinen Sie?«
»Ja, sicher.«
»Na ja, das hängt von den Wochentagen ab. Dreimal die Woche bin ich bei La Pulente. Von sieben bis neun Uhr abends. Aber nicht an festen Wochentagen. Dann bin ich jeden Vormittag von acht bis eins in einer Wohnung am Corso San Gottardo, um dort den Haushalt zu machen und für die Kinder der Signora zu kochen, wenn sie aus der Schule kommen. Am frühen Nachmittag habe ich noch drei Frauen, für die ich die Bügelwäsche mache. Zwei- oder dreimal die Woche.«
So ein Leben ist wirklich kein Zuckerschlecken, dachte der Pfarrer.
»Wann bist du gestern nach Hause gekommen?«
»Das wird wohl so gegen halb zehn gewesen sein. Ich war mit ein paar Leuten von La Pulente unterwegs. Aber ich hatte schon für die Kinder vorgekocht. Als ich zurückkam, war nur Giulio da. Er hat gemeint, dass er gedacht hat, die Kinder wären bei mir.«
»Habt ihr euch
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