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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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geschnitzten Heiligenbilder noch einmal sehr sorgfältig die Paramente, bevor er die Sakristei verließ und ins Pfarrhaus zurückkehrte.
    Auf dem Küchentisch stand schon sein Frühstück bereit. Milchkaffee, den er nur noch in der Mikrowelle wärmen musste, Zwieback und selbst gemachte Pfirsichmarmelade, die ihm eine Frau aus der Rosenkranzgruppe geschenkt hatte. Seine Zugehfrau, die inzwischen bestimmt schon gegangen war, als sie ihre Arbeit beendet hatte, hatte schon alles für ihn vorbereitet.
    Don Mario besaß keine ältere, ledige Verwandte, die bei ihm hätte leben können, ohne den Argwohn des Bischofs zu erregen, und eine Vollzeit-Hausangestellte konnte er sich nicht leisten. Das war nicht weiter schlimm, denn ihn störte das Alleinsein nicht, er liebte die Stille sogar. Ganz zu schweigen davon, dass eine Haushälterin ganz sicher etwas gegen die beiden fetten getigerten Katzen einzuwenden gehabt hätte, mit denen er Tisch und Bett teilte.
    Don Mario würdigte das Frühstück keines Blickes, sondern ging direkt in sein Arbeitszimmer, weil er in seinem Terminkalender, der ein minutiöses Abbild des Gemeindelebens darstellte, nachsehen wollte, ob es wirklich gestern gewesen war, dass Ivan die Chorprobe so plötzlich verlassen hatte. Oder eher vorgestern. Weil diese nachmittags stattfand, hatte er ihr nicht beiwohnen können. Er meinte sich jedoch zu erinnern, dass er Ivan gesehen hatte, als der sich hastig auf den Weg machte, um seine Schwester abzuholen, aber … Zum Glück war Leonardo ein so ordentlicher Mensch und schrieb alles genau für ihn auf.
     

KAPITEL 13
    Mittwoch, 7. Februar, 10:30 Uhr
    Der Aufzug des Wohnhauses war außer Betrieb. Deshalb keuchte Don Mario, als er den vierten Stock erreichte, und sein Herz schlug schnell und unregelmäßig. Doch dein Wille geschehe, was sein muss, muss sein.
    Es war Giulio, der aufmachte, und als er den Pfarrer vor der Tür stehen sah, musterte er ihn verärgert und ließ ihn erst eine Weile draußen stehen, bevor er sich endlich entschloss, ihn hineinzulassen.
    »Dort entlang«, sagte er schließlich und machte eine vage Handbewegung, die genauso gut dem Bad, dem Schlafzimmer oder dem Balkon gelten konnte.
    Don Mario lief den schmalen Flur entlang, bis er vor dem Schlafzimmer stand. Dort, im Halbdunkel wegen der heruntergelassenen Rollläden, lag Annamaria Donadio mit verquollenem Gesicht und starrem, abwesendem Blick auf der Tagesdecke zusammengekrümmt wie ein kränkelnder Fötus. Äußerlich wirkte sie ruhig, aber es war nicht zu übersehen, dass sie, wie Caterina sich ausgedrückt hatte, tatsächlich ein wenig durchgedreht war.
    »Annamaria«, sprach Don Mario sie von der Türschwelle aus an. »Annamaria, ich habe gerade gehört, was mit deinen Kindern geschehen ist. Wie geht es dir? Meinst du, du kannst mir erzählen, was passiert ist?«
    Als sie den Priester bemerkte, erschrak Annamaria und stieß ein dumpfes Heulen aus, das diesen erstarren ließ.
    »Sind sie tot? Was? Sind Sie gekommen, um mir zu sagen, dass sie tot sind? Meine Kinder, meine kleine Martina …«
    Don Mario wurde klar, dass sie seinen Besuch missverstand. Doch jetzt war es zu spät. Er betrat das Zimmer und sah sich suchend um. Es gab nichts, weder Stuhl noch Hocker, worauf er sich setzen konnte, nur das Bett. Und das stand vollkommen außer Frage. Der Pfarrer war ein konservativer Mann, und sein Sinn für Moral und Anstand war noch steifer als seine von Arthrose befallenen Gelenke. Also blieb er stehen.
    »Hör zu, Annamaria, ich bin nicht hier, um dir eine schlimme Nachricht zu überbringen …«, sagte er ganz sachlich. »Wenn überhaupt, will ich etwas von dir erfahren. Hast du mich verstanden? Ich bin nur hier, um nach dir zu sehen. Reg dich nicht auf. Ivan und seine Schwester sollten dich nicht so sehen, wenn sie zurückkommen.«
    »Sie kommen nicht zurück«, sagte die Frau düster. »Meine Kinder kommen nie wieder.«
    Don Mario schwieg und wartete, bis die Frau sich in Schluchzen und Klagen erschöpft hatte. Inzwischen sah er sich um, und ihm fiel auf, dass der Raum wie das Wenige, was er bisher von der winzigen Wohnung gesehen hatte, mit schweren Möbeln und allem möglichen Krimskrams völlig zugestellt war, bis hin zu den Plastikblumen vor einer gerahmten Fotografie von Padre Pio. Wer weiß, wer Annamaria die Verehrung für den seliggesprochenen Bruder nahegebracht hatte. Sie war zu jung, um ihn zu seinen Lebzeiten gekannt zu haben. Doch alles in allem war die Wohnung in

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