Denn dein ist die Schuld
Selbstmord ans Licht, als wir die CD-ROMs und die Zusammenfassungen der abgehörten Anrufe erhielten.
In diesen Zusammenfassungen und auf den CD-ROMs, die Simonella in einem geheimen Safe aufbewahrte, den man bei der Durchsuchung seiner Wohnung vorher nicht entdeckt hatte, haben wir eine Person identifizieren können, die bis zu diesem Moment absolut unverdächtig war. Sie stellte sich als das Verbindungsglied zwischen der Entführung der Della-Seta-Kinder und der des Simonella-Babys heraus.
In den Zusammenfassungen waren Gespräche zwischen Lovati und einem Mitglied der rechtsradikalen Szene, einem gewissen Pietro Maccaro, aufgelistet. Diese Telefongespräche haben wir auf den von Simonella aufbewahrten CD-ROMs abgehört, und daraus ergab sich dann die entscheidende Wende.
Als Maccaro mit Lovati sprach, nannte dieser ihn wiederholt bei einem merkwürdigen Spitznamen: ›Bombe‹. Wir nehmen an, dass sich dieser auf eine bestimmte Bombe bezieht, nämlich die, die Gianfranco Bertoli 1973 im Polizeipräsidium von Mailand hochgehen ließ. Wir haben die entsprechenden Prozessakten überprüft, und da haben wir unseren Mann wiedergefunden: Lucio Lovati, der von verschiedenen Zeugen als die Person angegeben wurde, die Bertoli die Bombe für den blutigen Anschlag übergeben haben könnte. Das ist alles, denke ich. Jetzt gebe ich weiter an die Kollegin Carmela Scurato von der SCO.«
Carmela Scurato übernahm das Wort mit zusammengekniffenen Lippen - ihre Vorgänger hatten ihr nicht mehr viel übrig gelassen, was sie noch hinzufügen konnte.
»Das organisierte Verbrechen ist wie immer der Schlüssel zu allen komplizierten Ermittlungen, die nicht unmittelbar im familiären Umfeld angesiedelt sind. Wir von der SCO kamen ins Spiel, sobald man eine Verbindung zwischen den beiden Fällen belegen konnte. Und vor uns liegt noch ein langer Weg, ehe wir unsere Arbeit endgültig abschließen können, denn am Ende steht wieder ein Blutbad, das in der Bar Dany. Diese blutige Tragödie erinnert an einen anderen Fall, der sich in Mailand vor vielen Jahren in einem öffentlichen Lokal in der Vorstadt, in Moncucco ereignet hat. Und bei einem Massaker in einem öffentlichen Lokal liegt der Verdacht nahe, dass dahinter der lange Arm von ausländischen, vor allem russischen kriminellen Organisationen steckt. Bleibt noch herauszufinden, welche Rolle unsere Mafia dabei spielt: Cosa Nostra,’Ndrangheta, Camorra … Es ist schließlich undenkbar, dass eine Bande slawischer Krimineller hier eine Zentrale des Verbrechens aufbauen und führen konnte, die auf allen Gebieten operierte - Glücksspiel, Kinderpornografie, Entführungen, Drogen, illegale Einfuhr von Fleisch und anderen Dingen -, ohne Absprachen mit der lokalen Unterwelt, die hier immer aktiv war. Die Motive für dieses Blutbad liegen auf der Hand: Wegen der mangelnden … sagen wir, Professionalität der angeheuerten Handlanger entstand zu viel Unruhe rund um die Entführungen. Lovati wurde zu einer Gefahr. Seine russischen Partner haben daraufhin beschlossen, dieses Geschäft zu schließen und ihm für immer den Mund zu stopfen. Ihm, dem Betreiber der Bar Dany , und all denen, die das Pech hatten, gerade anwesend zu sein, als die Killer kamen. Die Ermittlungen dauern noch an. Das ist alles für den Moment.«
Jetzt war der Zeitpunkt für die Fragen gekommen. Einige Journalisten hoben die Hand. Der Polizeichef deutete einen heraus.
»Giorgio Calabrò von ›La Stampa‹. Also gibt es über die Drahtzieher und die Gründe für das Blutbad im Dany bisher nur Vermutungen …«
Die Antwort kam von Carmela Scurato.
»Die Technik, die bei der Ermordung der Leute im illegalen Spielkasino unter dem Dany zum Einsatz kam, ist die eines klassischen militärischen Überraschungsangriffs. Es war ein blitzartiger Überfall, der von einem mindestens dreiköpfigen Kommando durchgeführt wurde, das können wir heute schon sagen, obwohl wir die Auswertung der Projektile noch nicht abgeschlossen haben. Aufgrund der Reihenfolge der Schüsse denken wir, dass die eigentlichen Zielpersonen der Betreiber der Bar Carmelo Corallo und der Eigentümer Lucio Lovati waren, für den Ersterer nur den Strohmann spielte. Sie wurden ermordet, weil sie zu möglichen Zeugen geworden waren. In Fällen wie diesen verübt das organisierte Verbrechen Blutbäder, weil sie jemanden endgültig zum Schweigen bringen wollen oder zur Warnung. Für slawische Kriminelle macht es keinen Unterschied, ob eine Person oder zehn
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