Denn dein ist die Schuld
Schmied holen, der das Metall mit dem Schweißbrenner zerschnitt.
Als sie endlich geöffnet war, wichen die Männer der Spurensicherung zurück und holten sich ihre Gasmasken.
War das weiß geflieste Zimmer der Vorhof zur Hölle gewesen, dann tat sich jetzt vor ihnen der letzte Höllenkreis auf.
Menschliche Knochenhaufen und Säcke mit Kalk und chemischen Salzen bis fast zur Decke aufgestapelt.
Im Hintergrund ein großes Metallfass mit einem hermetischen Schraubverschluss.
Es war leer und sah aus wie ein Wasserspeicher, aber die Reste von Flüssigkeit auf dem Boden bewiesen, dass es etwas ganz anderes enthalten hatte.
Eine tödliche Mischung aus zersetzenden Säuren. Vor allem Schwefelsäure.
Sie entdeckten eine Art Grube, die in die Fundamente des Gebäudes gegraben worden war. Von dort stiegen widerliche Ausdünstungen auf: Der Kalk tat zwar seine Wirkung, aber offensichtlich reichte er nicht aus, um den gesamten Verwesungsgestank zu übertönen.
Dieser Raum diente dazu, die Leichen zu beseitigen.
Es war ein chemischer Friedhof. Etwas Ähnliches wie die Todeskammer, die man auf einem im Besitz der Mafia befindlichen Gehöft in Sizilien gefunden hatte, wo sie die Leichen in einer großen Zinkwanne im Säurebad auflösten.
Einige Tage später erinnerte sich Sandra Leoni beim Betrachten der Tatortfotos daran, wie es Andrea Della Volpe beim Verhör in San Vittore genannt hatte: »ihn entsorgen«.
Als er erklären sollte, was Pasquale Scifo und er mit Leonardo Coronaris Leiche tun sollten, hatte er wirklich das Wort »entsorgen« verwendet.
Die Ispettrice suchte sich noch einmal aus den Akten die Abschrift des Verhörs heraus und las sie noch einmal durch.
»… Na ja, der Typ hatte uns angerufen, wir sollten die Leiche dort abholen. Und sie an einen anderen Ort bringen … also, sie entsorgen.«
Sie las die Stelle wieder und wieder, und dann musste sie ins Bad rennen, um sich zu übergeben.
KAPITEL 108
Montag, 2. April, 17:00 Uhr
Pressekonferenz im Polizeipräsidium.
Im großen Saal im zweiten Stock, in dem Auszeichnungen und Belobigungen überreicht, offizielle Delegationen und Journalisten, Kameraleute und Fotografen empfangen wurden, war alles für den Anlass vorbereitet. Man hatte die Plastikstühle in Reihen vor dem langen, erhöht stehenden Tisch aufgestellt. Doch es gab nicht genügend Platz für alle, denn die Kameraleute mussten sich ja bewegen können und überall versperrten Leitungskabel den Weg.
Punkt fünf Uhr betraten die Verantwortlichen für die Ermittlungen, allen voran der stellvertretende Polizeipräsident, den Saal und besetzten drei Seiten des großen Tisches vor dem Publikum. In der Mitte der stellvertretende Polizeipräsident Carlo Martinelli, rechts und links von ihm die Staatsanwälte Carlo Maria Salvini und Laura Scauri. Neben Dottoressa Scauri folgten Tenente Colonnello Glauco Sereni und Ispettore Capo Vincenzo Marino. Ispettrice Sandra Leoni nahm auf der anderen Seite zwischen Dottor Salvini und Carmela Scurato von der SCO Platz. An den Schmalseiten des Tisches saßen Oberstaatsanwalt Giulio Cerreti Strada und der Chef des Mobilen Einsatzkommandos Enzo Ardazzone. Streng der Hierarchie nach.
Als Erster ergriff der stellvertretende Polizeipräsident das Wort, er begrüßte die anwesenden Journalisten und dankte ihnen für ihr Kommen.
»Der Fall beziehungsweise die Fälle sind abgeschlossen. Selbst wenn noch viel Ermittlungsarbeit vor uns liegt und wir die Täter des Blutbades in der Bar Dany finden müssen, haben wir jetzt ein klares Bild der Ereignisse. Die leider nicht das erhoffte Ende nahmen. Die Kinder, deren Entführung die Ermittlungen in Gang gesetzt haben, konnten leider nicht ihren Eltern zurückgegeben werden. Es ist uns jedoch gelungen, eine gefährliche kriminelle Organisation mit weit verzweigten Verbindungen ins Ausland zu enttarnen, die von einer heruntergekommenen Vorstadtbar aus operierte, und sie bald komplett zu zerschlagen. Ich gebe das Wort an die Staatsanwälte weiter, die die Untersuchungen koordiniert haben, und die zuständigen Ermittler. Bitte sehr, Dottoressa Scauri.«
»Guten Tag. Ich werde mich kurzfassen«, begann Laura Scauri. »Wie Sie sicher wissen, hat alles am 6. Februar dieses Jahres vor etwa anderthalb Monaten mit dem Verschwinden von Ivan und Martina Della Seta begonnen. Zunächst schien es sich nur um Ausreißer aus desolaten Familienverhältnissen zu handeln. Doch als am nächsten Tag in Mailand ein weiteres Kind, der sechs
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