Denn dein ist die Schuld
bei Signor Luciano und Signora Laura Simonella. Ich muss anrufen, denn jetzt ist Kind nicht mehr da und …«
»Ich hoffe doch, dass das Kind zurückkommt.« Marino sah sie verblüfft an. Sie hatten die Möglichkeit nicht bedacht, die Simonellas könnten nach allem, was passiert war, das Kindermädchen nicht mehr um sich haben wollen.
»Ja gut«, sagte er. »Lesen und unterschreiben Sie. Wir rufen inzwischen die Simonellas an.«
Die Polizei hatte in der Wohnung am Viale Majno schon die notwendigen Geräte zum Abhören und Mitschneiden von Telefongesprächen installiert, für den Fall, dass die Entführer sich meldeten. Es war also besser, wenn ein Beamter dort anrief. Das konnte er der jungen Frau, die ihm mit weit aufgerissenen Augen nachsah, während er zur Tür ging, jedoch nicht sagen.
»Warum ich nicht kann anrufen? Vielleicht Signora Laura geht nicht gut und braucht mich …«
»Überlassen Sie das uns!«
Sein Ton duldete keinen Widerspruch. Nelea erwiderte nichts, und der Ispettore verließ noch einmal das Zimmer. Als er zurückkam, wirkte sein Gesicht noch unfreundlicher als vorher.
Nelea wartete im Stehen auf ihn.
Sie hatte schon ihre schwarze Daunenjacke angezogen und war fertig zum Gehen. Er setzte sich hin und deutete mit der Hand auf einen Stuhl vor dem Schreibtisch. Da protestierte sie.
»Ich bin müde«, sagte sie. »Ich jetzt muss gehen.«
»Ich lasse Ihnen einen Kaffee bringen, Signorina«, sagte Marino ernst und gelassen, während er immer noch auf den Stuhl deutete. »Setzen Sie sich.«
Nelea begriff, dass sie sich fügen musste. Sie war noch blasser geworden, obwohl sie ohnehin schon sehr hellhäutig war.
»Ich muss zu Toilette«, flüsterte sie. »Sofort.«
»Ich lasse Sie von einer Beamtin hinbringen.«
»Ich allein gehen, um Pipi zu machen. Ich nicht will Begleitung.« Ihre ein wenig von Panik erfüllte Stimme zitterte.
»Also bitte, Signorina.« Marino war ebenfalls erschöpft. »Sie können nicht allein im Präsidium herumwandern. Wir sind dafür verantwortlich, dass Ihnen hier nichts geschieht.«
Er griff zum Telefon.
»Sismondi, können Sie kurz zu mir kommen? Hier ist eine Signorina, die zur Toilette möchte. Sie müssten Sie begleiten … Nein, sie gehört nicht zu uns, warum sollte ich Sie sonst benötigen? Ja, kommen Sie.«
Eine Minute später kam die Streifenpolizistin Maura Sismondi in Uniform herein, um eine widerstrebende Nelea, der der verschwörerische Blick zwischen ihrer Eskorte und dem Ispettore nicht entgangen war, zur drei Türen weiter liegenden Damentoilette zu begleiten.
»Ich nicht verschwinden«, sagte sie auf dem Weg nach draußen leise.
Fünf Minuten vergingen, dann kehrte Nelea ein wenig erleichtert zurück. Ihrem feuchten Pony sah man an, dass sie sich vorsichtig, um das Pflaster auf der Lippe nicht zu durchnässen, die Augen ausgewaschen hatte.
Doch die Stimmung in Marinos Büro hatte sich verändert. Er schien es jetzt nicht mehr so eilig zu haben, sie gehen zu lassen, und wirkte entschlossen und keineswegs bereit, sich mit ihrer vagen Aussage zufriedenzugeben.
»Jetzt lasse ich Ihnen ein warmes Getränk bringen. Kaffee? Cappuccino? Tee? Vielleicht ein Croissant aus dem Automaten?«, fragte er, ohne sie anzusehen.
Nelea begriff, dass man sie nicht so schnell gehen lassen würde. Fügsam setzte sie sich wieder hin, lehnte das Gebäck ab, aber sie akzeptierte einen Tee, den ihr die Beamtin Sismondi aus dem Automaten holte.
»Warum ich muss hierbleiben? Ich habe gesagt, was ich weiß. Was ich jetzt noch kann sagen? Mein Mund tut weh. Sprechen ist schwer für mich.«
»Es tut mir leid, aber wir haben noch einige Punkte zu klären.«
Marinos Gesicht blieb vollkommen ausdruckslos, während er die Akten durchblätterte. Als er das Gesuchte gefunden hatte, hob er die Stelle mit einem gelben Marker hervor, den er aus einem Stifthalter genommen hatte. »Hier ist es.«
»Ja.«
Nelea wickelte sich enger in ihre schwarze Daunenjacke, als wäre ihr kalt, obwohl der Raum geradezu überheizt war.
»Sie haben vorhin gesagt …« Marino fuhr mit dem Nagel seines Zeigefingers zur genauen Stelle und las: »Ich gehe immer mit Giovanni im Park an der Porta Venezia spazieren, bei jedem Wetter. Außer bei starkem Wind. Auch wenn es schneit oder regnet. Weil Herr und Frau Simonella das so wollen. Bestätigen Sie das?«
»Ja, ich habe unterschrieben, nicht? Signora Laura will, dass Giovanni ist draußen auch bei Regen, Kälte und Schnee, aber nicht, wenn es
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