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Denn dein ist die Schuld

Titel: Denn dein ist die Schuld Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adele Marini
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gibt Wind.«
    »Ja, aber hat die Signora Ihnen auch gesagt, wo Sie hingehen sollen? Hat sie gesagt, geh zur Porta Venezia?«
    »Sie immer sagt, ich soll gehen, wo nicht so viel Autos sind, nicht viel Verkehr.«
    »Sagt sie Ihnen direkt, Sie sollen zum Park bei der Porta Venezia gehen?«
    »Nein, sie nicht sagt direkt, geh zu Porta Venezia. Aber ich denke, ist richtiger Platz zum Spazierengehen …«
    »Auch heute bei der Kälte und obwohl der Schnee nicht geräumt war? Obwohl die Signora Sie um zwei Uhr auf dem Handy angerufen hat, kurz bevor Sie die Wohnung verlassen haben, um Ihnen zu sagen, Sie sollten heute lieber zu Hause bleiben?«
    Aus Neleas Gesicht, das von Natur aus eine blasse Farbe hatte, wich schlagartig das Blut, so dass die Haut durchscheinend wurde wie Seidenpapier.
    »Als sie hat angerufen, ich schon fertig war zum Rausgehen. Giovanni hatte Schneeanzug schon an. Ich also gedacht, ich kann trotzdem kurz gehen …«
    »Das genügt«, brach Marino das Gespräch ab, als wäre er plötzlich todmüde. »Sie können jetzt aber nicht zu den Simonellas zurück. Die beiden haben gesagt, sie möchten Sie lieber nicht sehen. Ein Beamter wird Sie daher für heute Nacht in eine Residence bringen. Die Simonellas werden dafür aufkommen. Danach sehen wir weiter.«
    »Ist gut.« Nelea stand wieder auf. »Dann ich jetzt kann gehen?«
    »Ja, aber denken Sie daran, dass Sie die Residence nicht verlassen dürfen. Ich werde jetzt jemanden zu den Simonellas schicken, um Ihnen das Nötigste für heute Nacht zu holen. Schreiben Sie hier auf dieses Blatt, was Sie brauchen.«
    Nelea gehorchte und notierte: Zahnbürste, Slip, Schlafanzug, einen Pullover, eine saubere Bluse.
    »Warten Sie hier auf den Beamten, der Sie begleiten soll. Auf Wiedersehen, Signorina. Schlafen Sie gut.«
     

KAPITEL 18
    Mittwoch, 7. Februar, 23:45 Uhr
    Nelea wurde in der Residence Principessa Clotilde an der Porta Nuova untergebracht. Als sie endlich mit der Tüte, in die ihr die Beamten in der Wohnung ihrer ehemaligen Arbeitgeber am Viale Majno alles Notwendige gepackt hatten, auf ihr Zimmer gehen konnte, war sie völlig erschöpft. Ihr Gesicht war geschwollen und verpflastert, aber der Portier, der ihre Anmeldung entgegennahm, würdigte sie keines Blickes. Er war an den Anblick von Leuten in ihrem Zustand gewöhnt: Ehefrauen, die von ihren Männern blutig geschlagen worden waren, vergewaltigte Mädchen, Prostituierte, die von Kunden oder ihren Zuhältern verprügelt worden waren. Polizei und Carabinieri brachten recht häufig Augenzeugen von Verbrechen oder Opfer von Gewalt hier unter: Menschen, die aus dem einen oder anderen Grund nicht in ihre Wohnung zurückkehren konnten und sich dem ermittelnden Staatsanwalt zur Verfügung halten mussten.
    Das kleine Apartment, das man ihr anwies, lag im dritten Stock. Ein Zimmer mit Flur, Kochnische und einem fensterlosen Bad. Alles sehr sauber und unpersönlich, wie eben Zimmer in Pensionen so sind. Möbel aus Holzimitat, beliebige Kunstdrucke an den Wänden, nur das nötigste Mobiliar. Alles bequem, aber mit Bedacht so ausgewählt, dass die Gäste sich nicht zu sehr daran gewöhnten.
    Nelea achtete nicht darauf. Für sie zählte nur, dass man sie nicht in ihrer Freiheit einschränkt hatte. Und vor allem, dass man sie nicht in das Auffanglager in der Via Corelli gebracht hatte. Dieser Ort hatte einen äußerst schlechten Ruf. Und von dort konnte man nicht verschwinden.
    In einer Residence war das anders.
    Und sie war frei.
    Sie konnte kommen und gehen, wie sie wollte.
    Und sie entschied sich zu gehen.
     

KAPITEL 19
    Donnerstag, 8. Februar, vor Sonnenaufgang
    Es war ungefähr fünf Uhr morgens.
    Tiefe Dunkelheit.
    Eine frostige, nasse Dunkelheit wegen des dicht fallenden, eiskalten Nieselregens, der inzwischen die noch mit Schnee bedeckten Straßen und Bürgersteige allmählich in einen matschigen Morast verwandelte.
    Nelea ging hinunter an die Rezeption.
    »Ich mache kleinen Spaziergang«, sagte sie zu dem jungen Mann, der sich sein Studium als Nachtportier verdiente.
    Übernächtigt, wie er war, schaute der nicht einmal auf von seinem Buch und antwortete nur mit einem flüchtigen Kopfnicken.
    Nelea legte den Schlüssel auf den Tresen, drehte sich auf dem Absatz um und ging hinaus.
    Hochgewachsen, blond und wunderschön in ihrer schwarzen Daunenjacke mit dem hochgeschlagenen Kragen und den großen Locken, die unter ihrer in die Stirn gezogenen Wollmütze hervorquollen, hielt er sie für eines der vielen

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