Denn die Gier wird euch verderben - Thriller
die es ankommt, wird er nicht gebeten.
Zum Beispiel hat das Ehepaar Zorn zu Silvester einen Maskenball gegeben, aber er war nicht eingeladen. Wenn sie im Sommer draußen auf Bullerö ihre Gesellschaften veranstalten, wird er auch nie dazugebeten.
Er sieht Karin Larsson an, die lacht und sich bei Emma Zorn einhakt, und ihm kommt der Gedanke, wenn man mit so einer Frau verheiratet wäre, die gesellig ist, künstlerisch, munter und hübsch und aus einer guten Familie …
Und gerade als er das denkt und Karin Larsson ansieht, begegnen sie Elina und Flisan.
Hjalmar Lundbohm sieht Elina an und erschrickt regelrecht bei ihrem Anblick. Wie sieht sie denn bloß aus.
Er schämt sich ein wenig, wenn er sie ansieht. Eben wegen ihres Aussehens. Aber auch aus schlechtem Gewissen. Denn er hat sich nicht bei ihr gemeldet. Nun hatte er ja auch viel zu tun. Wegen des Kriegs musste er in die USA , nach Kanada und zu den Kruppwerken in Deutschland. Mit diesen diplomatischen Verwicklungen zu jonglieren erfordert den ganzen Mann. Er hat dafür gesorgt, dass die Erzschiffe in die USA Pökelfleisch für die Arbeiter in Kiruna mit zurückbringen. Er hat sich der schwedischen Regierung widersetzt, als die die Essenstransporte konfiszieren wollte, um die Versorgung der Bereitschaftstruppen zu sichern. Viel Zeit für Elina ist ihm da nicht geblieben. Sie treffen sich, wenn er in Kiruna ist, aber nicht in jedem freien Moment. An einigen Abenden, in einigen Nächten, aber vor allem sehnt er sich nach Schlaf.
Flisan und Elina waren zum Holzholen im Wald. Sie müssen sich jetzt ranhalten, ehe es wärmer wird und der Schnee auf den Winterwegen aufweicht und nicht mehr zu betreten ist.
Sie tragen ihre allerarmseligsten und schlechtesten Kleider. Elina hat sich von einem der Schlafgänger eine verschlissene Lederjacke ausgeliehen, die reicht ihr fast bis an die Knie. Sie hat ein Kopftuch unter dem Kinn verknotet wie eine alte Frau. Flisan trägt einen Wollpullover, der sich fast schon in seine Bestandteile auflöst. Sie haben Holz gesägt und sind von Spänen und Abfällen bedeckt. Die Rocksäume sind starr und schwer vom Schnee.
Zusammen ziehen sie den mit Holz beladenen Schlitten.
Elina sieht die vornehm gekleidete Gesellschaft und würde am liebsten im Erdboden versinken.
Flisan macht einen Knicks.
»Schönen guten Tag auch, Fräulein Flisan«, ruft Architekt Boberg, der ein unglaubliches Gedächtnis für Namen und Gesichter hat. »Machen Sie uns heute Abend wieder Ihr phantastisches geräuchertes Rentierfilet?«
»Ach, daran erinnern Sie sich also«, erwidert Flisan und lacht.
Es macht sie nicht im Geringsten verlegen, wie sie und Elina aussehen. Nur Elina stirbt tausend Tode.
Und Hjalmar Lundbohm sieht Elina nicht einmal an.
Flisan bedauert, dass sie an diesem Abend ohne ihre Kochkünste auskommen müssen.
»Denn heute ist mein freier Tag. Und der Herr Direktor hat Essen und Personal aus dem Östermalmskeller in Stockholm kommen lassen. Also wird es noch viel feiner für Sie.«
»Sie müssen an Ihrem freien Tag ja ganz schön schuften«, kommentiert Boberg.
Flisan erklärt, dass sie Holz geholt haben, nicht nur für sich selbst. Wo sie schon in den Wald mussten, haben sie auch Holz für einige Nachbarn geholt und auf diese Weise sieben Kronen verdient.
Elinas Wangen glühen.
»Ich bin untröstlich«, scherzt Boberg. »Da wird man heute Abend auf Ihren reizenden Anblick verzichten müssen? Und ich muss Stockholmer Kost zu mir nehmen, obwohl ich den ganzen weiten Weg hergekommen bin? Wenn ich Sie anflehe, kommen Sie dann und kochen Kalbsmilchpudding mit Moltebeergelee zum Nachtisch?«
»Sie können flehen, bis Jesus Christus mit einer Wolke von Zeugen zurückkehrt, aber ich gehe heute Abend mit meinem Verlobten tanzen.«
Alle lachen, bis auf Elina und Hjalmar Lundbohm, aber das fällt niemandem auf.
»Dann adieu, ihr Mädchen«, sagt Anders Zorn, der Schnee unter dem Kragen hat und sich jetzt nach dem versprochenen Punsch sehnt.
Die Gesellschaft zieht weiter, Karin Larsson und Emma Zorn winken Elina und Flisan zu wie kleinen Kindern. Elina hört, wie Karin Larsson sagt: »Was für ein Goldstück« und einer der Männer einen Kommentar abgibt, den sie nicht verstehen kann, worauf alle lachen.
Elina ist beschämt und zornig. Sie schont sich nicht, als sie das Holz das letzte Stück Wegs nach Hause zieht. Sie ärgert sich auch über Flisan, ohne dass sie so recht erklären könnte, warum.
Als Flisan fragt, was mit ihr los
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