Denn Gruen Ist Der Tod
Holztreppe hinauf und nahm immer zwei Stufen auf einmal. Oben angekommen war er so erschöpft, dass er sich am Geländer fest halten musste, um nicht umzukippen.
»Sie werden noch einen Herzinfarkt bekommen, wenn Sie nicht besser auf sich aufpassen, Mister Purvis.«
Das war die Stimme seines Sekretärs Michael Scott, der vor seinem Büro auf ihn wartete. Neben ihm stand ein schöner, großer, königsblauer Kinderwagen, den er sanft schaukelte. Er summte ein Schlaflied für das imaginäre, im Inneren verborgene Kind und wartete geduldig, bis sein Chef wieder zu Atem gekommen war. Als Malcolm sich endlich so weit erholt hatte, dass er aufstehen konnte, sah er seinen Mitarbeiter anerkennend an. »Gut gemacht, Michael, das ist genau das Richtige! Wunderbar!«
»Immer zu Diensten, Sir. Aber finden Sie ihn nicht doch ein wenig zu altmodisch für die junge Generation?«
Malcolm war entrüstet. »Blödsinn. Es ist genau derselbe, den wir für Frances gekauft haben.«
»Vor zwanzig Jahren. Die Zeiten haben sich geändert und die jungen Frauen auch.«
Malcolm sah zum Kinderwagen und wieder zurück zu seinem Sekretär. »Er wird ihr sehr gefallen. Er ist genau das Richtige für meinen Enkel.«
»Dann hat sie das Baby schon bekommen?«
»Nein, noch nicht, wie kommen Sie darauf?«
»Enkel?«
»Na, dann eben Enkelin. Das ist doch egal, solange es nur gesund ist.«
Michael lächelte und nickte seinem Chef aufmunternd zu, der den Kinderwagen nahm und es Michael nachtat: Er sah in den Wagen und schaukelte ihn sanft. Erst jetzt merkte er, wie erschöpft er war, und zog sich in seine Räume am Ende des Korridors zurück.
Es gab nichts Anstrengenderes, als Großvater zu werden, das stand für ihn fest.
Frances nahm einen letzten Schluck Kaffee und stellte ihre Tasse auf den Küchentisch, bevor sie ihren Mantel vom Garderobenhaken in der Eingangshalle angelte und ihren großen Wollhut aufsetzte. Sie fror, hatte immer schon viel gefroren, auch als sie noch klein war. Ihr Vater hatte Stunden damit zugebracht, ihre Füße warm zu reiben, um sie vor Frostbeulen zu bewahren. Es hatte nicht immer geholfen, aber sie hatte die fürsorgliche Nähe ihres Vater genossen. Sie warf einen letzten prüfenden Blick in die Runde, um sicherzugehen, dass alles gut aussah. Sie hatte den ganzen Tag das Haus von oben bis unten sauber gemacht und überall Vasen mit frischen Blumen aufgestellt. Sie hatte sich daran erinnert, dass ihre Mutter das immer getan hatte, um ihrem Vater als Zeichen ihrer Dankbarkeit für seine Unterstützung und die freundliche Aufnahme eine Überraschung zu bereiten. Sie sah auf ihre Uhr: Es war schon spät. Sie eilte aus der Haustür zum Auto und steckte den Schlüssel ins Türschloss. Das Auto war genauso alt wie jenes, das Bird ihr geschenkt hatte. Es hatte ihrer Mutter gehört und Frances war überzeugt, dass es ihrem Vater eine immense Freude bereiten würde, wenn sie es fuhr. Als sie die Tür öffnete, wurde sie von einem Geräusch hinter dem Busch in der Nähe des Eingangstors irritiert. Frances drehte sich um und strengte ihre Augen an, um herauszufinden, was da sein könnte. Obwohl die Einfahrt noch von den Straßenlaternen beleuchtet wurde, konnte sie die Gestalt nicht erkennen, die sich erhob, als sie hinüberspähte. Es war seine Stimme, nicht seine Erscheinung, die ihn verriet. Ein kalter Schauer jagte ihr über den Rücken – es war Bird. Er kam langsam hinter dem Busch hervor und blieb ein paar Schritte vor ihr stehen. Frances bekam keine Luft mehr und ihr Magen schnürte sich in seinem beengten Raum über ihrem Baby zusammen. Schützend legte sie die Hände auf ihren Bauch.
Als Bird einen weiteren Schritt näher kam, fummelte Frances fieberhaft an dem Alarmgerät herum, das sie, weil ihr Vater darauf bestanden hatte, immer in ihrer Manteltasche trug. Ihre Finger lösten, ohne dass sie gezielt auf einen Knopf gedrückt hatte, den Alarm aus. Der Lärm, den das Gerät machte, war erstaunlich. Die Sirene war sehr laut, das hatte sie erwartet, aber der Ton schien von den Wänden und Sträuchern widerzuhallen und erfüllte die ganze Einfahrt mit ohrenbetäubendem Geheul. Frances war so überrascht, dass sie das Gerät fallen ließ und sich mit beiden Händen die Ohren zuhielt, um die unerträgliche Lautstärke wenigstens etwas abzumildern. Bird traf der Alarm völlig unvorbereitet und er wirbelte in Verteidigungsstellung herum, auf den sofortigen Angriff eines unbekannten Feindes oder die Ankunft einer
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