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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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kümmert es Sie, was Walter will? Sie haben doch gerade gesagt, dass Sie sein Opfer waren. Womit kann er Sie dazu bringen?«
    Natürlich war sie versucht, Mrs. Tackett von Walters Versprechen zu erzählen, ihr zu sagen, sie stünde auf der Seite der Engel, über jeden Vorwurf erhaben. Sie hatte Holly nicht getötet, aber sie hatte sie auch nicht gerettet. Bedeutete beides das Gleiche? Sie hatte beschlossen zu leben. War ihr Entschluss zu leben gleichbedeutend damit, Holly den Tod zu wünschen? Diese Frage konnten weder Psychologie noch Philosophie noch Theologie beantworten. Sie hatte beschlossen zu leben, und dafür glaubte sie, alles tun zu müssen, was Walter sagte. Holly war diejenige, die sich gewehrt hatte und weggelaufen war.
    »Es kümmert mich nicht. Ich habe meine Gründe, ihn zu besuchen, aber das sind meine persönlichen Gründe.«
    »Man kann ihm nicht trauen.«
    »Bei allem Respekt, Mrs. Tackett, das müssen Sie mir nicht sagen.«
    »Ihnen kann man auch nicht trauen.«
    Das war unfair. Zumindest fand sie es unfair. Sie fühlte sich fiebrig, dann wurde ihr eiskalt. Die Grippesaison hatte in diesem Jahr früh begonnen. Toll, eine Grippe hatte ihr gerade noch gefehlt, so kurz vor dem Besuch bei Walter. Würde man ihr im Gefängnis den Zutritt verweigern, wenn man sie für ansteckend hielt?
    »Mrs. Tackett, ich weiß nicht, was Sie wollen, und selbst wenn ich es wüsste, könnte ich es Ihnen wahrscheinlich nicht geben. Ich kann Holly nicht wieder lebendig machen. Ich kann es einfach nicht. Glauben Sie, ich hätte nicht immer wieder über das nachgedacht, was ich getan habe? Was ich nicht getan habe? Aber ich war auch ein Opfer. Wirklich.«
    Das klang nicht einmal für sie selbst überzeugend.
    »Ihre Kinder wissen nichts davon, oder?«
    »Nein.«
    »Weil Sie sich schämen?«
    »Weil sie sich sicher fühlen sollen.«
    »Niemand auf der Welt ist sicher, niemals. Habe ich Ihnen das heute nicht bewiesen? Ihre Tochter hat mich in Ihr Haus gelassen, nur weil ihr mein Name bekannt vorkam. Ich hätte sonst jemand sein können. Ich hätte Ihrem Kind etwas antun können.«
    Plötzlich kam eine Erinnerung auf. Die Lerners hatten einen Strandort besucht, mit knappem Parkraum und überfüllten Straßen. Eliza war damals höchstens sieben gewesen. Als ihr Vater gerade rückwärts aus der Parklücke setzen wollte, rannte ein kleiner Junge von seiner Mutter weg und hinter das Auto der Lerners. Ihr Vater hielt rechtzeitig, trotzdem keifte die Mutter ihn an. Als sie später über die Hauptstraße fuhren, beugte sich dieselbe Frau aus ihrem Auto und schrie: »Ich sollte Ihre Kinder überfahren, mal sehen, wie Ihnen das gefällt!«
    »Ihr Mann war doch Militärchirurg, oder? Wenn ich mich richtig erinnere, hat er in Krankenhäusern Verwundete aus Vietnam behandelt. Wissen Sie erst, dass die Welt nicht sicher ist, seit Ihre Tochter getötet wurde? Oder hat es Sie da nur zum ersten Mal interessiert?«
    »Man glaubt, man wüsste es, man würde Anteil nehmen. Aber man hat keine Ahnung, das können Sie mir glauben.«
    »Da haben Sie wohl recht.«
    Mrs. Tackett biss sich auf die Lippe. Elizas Eingeständnis schien sie stärker zu kränken als alles, was sie zuvor gesagt hatte. Sie nahm ihre Handtasche und stand auf. »Das Buch – in dem Buch stand, Sie wären vielleicht seine Freundin gewesen.«
    »Das ist nicht wahr. Er hat mich vergewaltigt.«
    »Aber Holly und das andere Mädchen …« Das andere Mädchen. Hörte sie nicht selbst, was sie da sagte? War es zu viel verlangt, dass sie Maudes Namen kannte? »Es wurden keine Beweise für sexuelle Übergriffe gefunden.«
    »Er hat ein Kondom benutzt. Zumindest bei mir. Was bei den anderen war, kann ich nicht sagen.«
    »Ein Vergewaltiger mit einem Kondom. Dafür gibt es keinen Beweis, nur Ihre Behauptung.«
    »Meine Behauptung? Halten Sie mich für eine Lügnerin, Mrs. Tackett?« Farbe stieg ihr in die Wangen, an den Schläfen und am Hals spürte sie ihren Puls pochen.
    »Ich habe Ihnen damals nicht getraut, und heute traue ich Ihnen immer noch nicht. Ich habe lange auf Gerechtigkeit gewartet, und es ist doch ein seltsamer Zufall, dass Sie gerade jetzt mit Walter reden, wenn der Termin für die Hinrichtung schon steht.«
    »Was wäre für Sie Gerechtigkeit?«
    Sie machte sich auf die Antwort gefasst: Dass Sie sterben und meine Tochter wieder lebt. Aber so grausam war Trudy Tackett nicht.
    »Das hier. Die Hinrichtung. Das bekommen Terry und ich. Es ist nicht genug, aber es ist alles,

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