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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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dem Gesicht zu spüren. Etwas Bräune hatte ihm schon immer gut gestanden, auch wenn das laut Barbara schlecht für seine Haut war.
    Als Walter damals begriffen hatte, wie seine Zukunft aussah – dass er nämlich keine hatte –, und diese Tatsache akzeptierte, war ihm als Erstes durch den Kopf gegangen: Jetzt lerne ich wahrscheinlich Schach spielen. Er wusste nicht genau, woher dieser Gedanke kam. Wie bei den meisten Menschen stammte sein Wissen über das Gefängnis aus Filmen, aber das war noch vor den Verurteilten , vor dem Schweigen der Lämmer , auch wenn er beide Streifen von Männern kannte, die später hergekommen waren. In dem einzigen Gefängnisfilm, den Walter hätte nacherzählen können, ging es um einen Jugendknast, und da spielte garantiert niemand Schach. Bad Boys mit Sean Penn. Er hatte noch nie jemanden getroffen, der den Film kannte, nicht seit er saß. Bei Bad Boys dachten die Leute sofort an diese anderen Filme, die viel später herauskamen.
    Aber Elizabeth hatte Bad Boys gesehen. Was sie nicht gedurft hätte – der Film war ab siebzehn freigegeben, und als er herauskam, war sie erst dreizehn gewesen. Genau das sagte er ihr, sparte sich aber eine Standpauke, weil er gern ihre Meinung darüber hören wollte.
    »Ich weiß nicht«, erwiderte sie zögernd. »Ich mag Sean Penn, aber er sollte lieber Filme machen wie Ich glaub’, ich steh’ im Wald. Der andere war total deprimierend.«
    »Meinst du den Film, wo sich das Mädchen auszieht?«
    »Ja. Da war er lustig.«
    »Er war bekifft.«
    »Nur im Film.« Immer schön korrekt, als könnte er den Unterschied nicht erkennen.
    »Ich finde Kiffen nur nicht lustig«, sagte er, dann ließen sie das Thema auf sich beruhen. Bei Filmen und Musik wurden sie sich nie einig. Trotzdem wünschte er, sie hätten sich weiter unterhalten können. Er hätte sie gern gefragt, ob sie glaubte, dass der Film die Realität zeigte, ob es im Gefängnis wirklich so viele Vergewaltigungen gab oder das eher ein Problem im Jugendknast war. Sogar damals war ihm unterbewusst klar gewesen, dass er tot oder im Gefängnis enden würde, und am größten war die Angst vor der zweiten Möglichkeit. Den Tod konnte er sich vorstellen. Er hatte ihn gesehen. Das Leben hinter Gittern konnte er sich nicht vorstellen.
    Aber im Laufe der Wochen und Monate, in denen das System seine Verbrechen klärte und über seine Strafe befand, lernte Walter die Grundrisse seines Lebens kennen und akzeptieren. Grundrisse – was für ein nettes Wort, es klang, als könnte man darauf etwas aufbauen. Man würde ihn nicht für unschuldig erklären, weder bei Holly noch bei Maude, und das allein wegen Elizabeth, der Hauptzeugin der Anklage. Ohne sie hätte der Staat nichts in der Hand gehabt. Sie hatte Walter an Maudes Grab überrascht, in der Nacht von Hollys Tod war sie bei ihm gewesen. Ein Glück, dass er ihr nie Einzelheiten über seine anderen Taten erzählt hatte. Er hatte vage Andeutungen fallen lassen, besonders am Anfang, als er ihr beibringen musste, ihm zu gehorchen. »Wenn du wüsstest, was ich getan habe … Ich habe schon einem Mädchen das Genick gebrochen, und ich werde es wieder tun.« Aber die Details hatte er für sich behalten, deshalb konnte sie nur erzählen, was sie gesehen hatte. Hätte er sie doch auch getötet – aber das hatte er nicht, so war es nun mal. Ihm war natürlich klar gewesen, was passieren würde, wenn man ihn erwischte, und nach Hollys Tod wusste er auch, dass dieser Ausgang umso wahrscheinlicher geworden war. Holly war kein Mädchen, dessen Verschwinden und Tod ungesühnt blieben. Dieses Mal hatte er eine Prinzessin entführt, und das Königreich würde sich voll Zorn erheben. Und tatsächlich saß er weniger als achtundvierzig Stunden später in Untersuchungshaft, mit der die zweite Hälfte seines Lebens begann, der Teil, den er hinter Gittern verbrachte.
    Die ersten Jahre boten ihm immerhin eine gewisse Abwechslung mit den Prozessen und, in Hollys Fall, Berufungen und Wiederaufnahmeverfahren. Das erste Wiederaufnahmeverfahren hatten sie vor Ablauf der Frist von einundzwanzig Tagen beantragt, dagegen konnte niemand etwas sagen. Eine dämliche Geschworene hatte bezüglich der Strafzumessung behauptet, in Maryland würde er auf keinen Fall die Todesstrafe bekommen, deshalb müssten sie in Virginia dafür sorgen. Das Miststück hätte auch noch gelogen und sich mit einem Meineid durch die Untersuchung geschummelt, wenn es nur gekonnt hätte, aber andere Geschworene

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