Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Spielsachen und Dummheit fortgespült. Seit sie Mutter war, konnte Eliza das besser verstehen. Genauso ging es ihr oft bei den Sachen, auf die Iso und Albie versessen waren, bei ihrer Anfälligkeit für Trends und Werbung. Aber sie reagierte darauf nicht so aggressiv wie ihr Vater und bestand auch nicht auf Ausflüge nach Gettysburg und Antietam und zum Franklin Institute in Philadelphia. Ihr Ausflug nach Monticello zählte nicht, weil er vor allem ein Vorwand war, um nach Charlottesville zu fahren.
Die jetzige Fahrt hätten Eliza und Peter mit einem Ausflug nach Williamsburg und in den Freizeitpark Busch Gardens ganz in der Nähe verbinden können. Stattdessen schoben sie einen Kurzurlaub in Richmond vor, das die New York Times als perfektes Wochenendziel beschrieben hatte. Sie hatten gedacht, die Kinder könnten bei den Großeltern bleiben, aber Manny und Inez hatten für dieses Wochenende selbst einen Ausflug nach Greenbrier County in West Virginia geplant, und Eliza brachte es nicht fertig, diesen echten Kurzurlaub durch einen falschen zu stören. Also hatte sie Vonnie angerufen, die gern bei ihrer Nichte und ihrem Neffen bleiben wollte. Aber Peter fand, lieber sollten die beiden Schwestern zusammen fahren. »Nichts gegen deine Schwester«, sagte er, »aber es würde mich wahnsinnig machen, wenn ich mir Sorgen machen müsste, ob sie Albie rechtzeitig von der Schule abholt. Außerdem hat Iso immer noch Hausarrest, und an Vonnie würde sie vorbeikommen. Deine Schwester kann es vielleicht mit Außenministern und dem Chef der Notenbank aufnehmen, aber einer Dreizehnjährigen, die einen pickeligen Jüngling in London anrufen will, wäre sie nicht gewachsen.«
Für Eliza klang das durchaus nach einem Seitenhieb gegen ihre Schwester, aber darüber wollte sie nicht streiten. Sie war schon lange nicht mehr mit Vonnie allein gewesen, vielleicht seit die Kinder auf der Welt waren. In England hatten sie Vonnie häufiger gesehen als seit ihrer Rückkehr nach Amerika, weil Vonnies Arbeit sie öfter nach London führte als nach Washington. Und selbst dort hatten die Besuche meist aus Abendessen in Restaurants bestanden, bei denen ständig jemand auf Vonnie zugeschwebt war, um ihr links und rechts Küsschen zu geben. Vonnie hatte stets die Restaurants ausgesucht, diese Atmosphäre schien ihr also zu liegen. Sie fand immer Ausreden, um zum Abendessen nicht zu ihnen nach Barnet zu kommen – es lag zu weit draußen, die U-Bahn fuhr so spät nicht mehr. Dabei hätte sie im Gästezimmer schlafen können, aber sie musste am nächsten Morgen immer früh zu Terminen. Nein, sie traf sich mit Eliza und Peter in trendigen Restaurants ihrer Wahl und schickte sie nach dem Essen beladen mit teuren, aber nicht ganz passenden Geschenken für die Kinder nach Hause.
Es war neun Uhr morgens, und sie waren seit sieben Uhr unterwegs, weil sie Angst vor dem Verkehr an der Mixing Bowl hatten, dem berüchtigten Autobahnkreuz an der Ringstraße um Washington. Obwohl Eliza davon bisher nur aus den Verkehrsnachrichten auf WTOP gehört hatte, hatte sie gehörigen Respekt davor. Die Mixing Bowl glich einem dieser seelenlosen Killer aus einer Horrorfilmreihe: Sie ruhte bisweilen, aber sie starb nie. Eliza hatte so früh wie möglich losfahren wollen, um den Berufsverkehr zu vermeiden. Zu ihrer Überraschung herrschte schon morgens um sieben dichter Verkehr in Washington, der aber größtenteils in die Gegenrichtung strömte, und sie passierten die gefürchtete Stelle so problemlos, dass sie beinahe enttäuscht war. Richmond würden sie weit vor dem Mittagessen erreichen, Stunden bevor sie in ihrem Hotel einchecken konnten. Sie hätten auch am Samstagmorgen fahren können, aber die Besuchszeiten lagen recht früh. Auf den Rat von Barbara LaFortuny hin hatte Eliza beschlossen, lieber einen Tag vorher anzureisen, damit sie nur noch die kurze Fahrt von Richmond über einen Ort mit dem lustigen Namen Disputana nach Waverly hatten, wo Sussex lag.
Barbara hatte Walter nie besuchen dürfen, erzählte sie Eliza. Aber sie kannte andere Männer in Sussex I und II und war mit dem Ablauf vertraut. Als sie mit Eliza über ihre Fahrt sprach, klang sie regelrecht wehmütig. »Ich habe ihn nie getroffen. Können Sie sich das vorstellen? In den ganzen Jahren habe ich ihn nie persönlich gesehen. Dabei kenne ich ihn besser als jeden anderen.«
Sie hatte sich verkneifen müssen zu fragen: »Und wie gut kennen Sie andere Menschen, Barbara?«
»Waren wir als Kinder schon
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