Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
interessieren. Sie hätten dich beinahe verloren, deshalb hängen sie mehr an dir. Sie können gar nicht anders. Sie geben sich Mühe, weil sie klug und mitfühlend sind, aber was ich auch tue, ich kann nicht mit dem mithalten, was du ihnen gibst, indem du einfach existierst. Und nichts für ungut, Eliza, aber viel mehr tust du auch nicht.«
Der letzte Satz traf. Alles davor konnte sie verkraften.
»Ich bin Ehefrau und Mutter. In meinem Leben würdest du wahrscheinlich keinen einzigen Tag überstehen. Ich bin sogar nur mit dir unterwegs, weil Peter dir das auch nicht zutraut.« Das war gemein und würde die ohnehin heikle Beziehung zwischen ihrer Schwester und ihrem Mann nur weiter belasten, aber Eliza war so wütend, dass sie nicht fair bleiben konnte.
»Mach daraus jetzt keine Mütterdebatte. Du weißt, dass ich Dinge nicht so vereinfache. Aber du … gleitest durchs Leben. Du lässt das Leben einfach geschehen. Ich halte dich für eine tolle Mutter, und ich weiß, wie viel Energie du in deinen Alltag steckst. Aber ich kenne niemanden, der so sehr reagiert statt agiert, Eliza. Herrje, aus einer Erfahrung, wie du sie gemacht hast, hätte ich doch als Erstes gelernt, dass ich niemanden mein Leben kontrollieren lasse. Aber du hast die Kontrolle aus der Hand gegeben. An Peter, an die Kinder. Und jetzt gibst du sie Walter Bowman zurück.«
»Ich fahre zum Gefängnis, weil er mir sagen will, was er noch niemandem gesagt hat. Wie viele Mädchen er getötet hat und wo sie sind.«
Während Vonnie schwieg, konzentrierte sich Eliza auf das Navigationsgerät, das sie zu ihrem Bed & Breakfast lotste, der einzigen Adresse, die sie eingeben konnten. Sie konnte die Stimme nicht ausstehen. Für Eliza klang sie immer etwas selbstgefällig. Sie freute sich richtig, wenn das Navi durch Baustellen oder andere unvorhergesehene Probleme falschlag, auch wenn die Stimme natürlich nie zugab, dass sie Mist gebaut hatte.
»Und was dann?«, fragte Vonnie.
»Was meinst du?«
»Er gesteht dir gegenüber. Und? Ist dir schon mal der Gedanke gekommen, dass die Informationen nicht rechtsgültig sind, wenn sein Anwalt nicht dabei ist? Dass sie vielleicht keine Klärung, sondern nur neue Unruhe bringen? Peter hat daran gedacht, das kann ich dir sagen.«
Also hatten Peter und Vonnie darüber geredet, ohne Eliza.
»Wann hast du mit Peter darüber gesprochen?«
»Gestern Abend. Er war noch lange auf und hat gearbeitet. Ich auch. Ich bin nach unten gegangen, um noch ein Glas Wein aufzutreiben. Übrigens: Jemand sollte Peter mal sagen, dass teurer französischer Wein noch längst nicht gut sein muss.«
Merkwürdigerweise dämpfte diese beiläufige Kritik Elizas Ärger. Das war wenigstens typisch Vonnie, unbekümmert und gedankenlos.
»Als wir Teenager waren, hast du mal gesagt, von jetzt an würde sich alles um mich drehen. Vielleicht ist deine Wahrnehmung für dich zur Wirklichkeit geworden, und du siehst nur noch das, wonach du suchst?«
»Ja«, antwortete Vonnie. »Aber ist es nicht möglich, dass ich trotzdem recht habe? Dass ich immer im Schatten meiner Schwester gelebt habe?«
»Nicht, was die Öffentlichkeit angeht.«
»Scheiß auf die Öffentlichkeit. Mich interessiert nur die Familie.«
Das war neu. »Hast du Angst, dass bekannt wird, was ich mache? Dass alles wieder aufgewühlt wird?«
»Nein. Ich weiß, dass du das nicht willst.«
»Und warum reden wir dann darüber?«
»Keine Ahnung. Weil wir noch nie darüber geredet haben? Vielleicht ist es kein großer schwarzer Hund, aber es hat immer im Raum gestanden. Mir war von Anfang an klar, dass diese Sache dir passiert ist. Aber uns ist sie auch passiert. Mom und Dad. Und mir. Wir waren da. Peter nicht. Und trotzdem vertraust du Peter mehr als uns. Peter prägt dein Leben. Du gehst mit, wenn er der Arbeit wegen umziehen muss, bringst alle Opfer, damit er Karriere machen kann, und gibst deine eigene dabei auf.«
»Vonnie, vielleicht kannst du das nicht verstehen, aber es war für mich kein Opfer, die Uni aufzugeben. Hätte ich nicht aufgehört, wäre ich wahrscheinlich immer noch da, würde mich mit meiner Abschlussarbeit über Kinderliteratur in den Siebzigern abmühen und mich zu Tode langweilen. Mir ist schon vor langer Zeit klar geworden, dass ich über Judy Blumes Forever und einen Jungen, der seinen Penis Ralph nennt, einfach nicht so viel zu sagen habe.«
Vonnie lachte, und die schlechte Stimmung verflog. Sie lachten den ganzen Tag lang über alte Geschichten, die ihnen
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