Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Bach. Wenn sie seinem Ufer folgte, würde sie an der Route 40 rauskommen, nicht weit vom Roy Rogers entfernt, vielleicht anderthalb Kilometer. Zumindest glaubte sie, dass sie dort rauskommen würde. Sie durfte nicht direkt zum Roy Rogers gehen, weil sich dort viele Jugendliche trafen und ihre Eltern der Überzeugung waren, die meisten Probleme würden durch untätiges Herumhängen verursacht. Aber sie fanden es gut, wenn Elizabeth im Sommer viel Zeit im Freien verbrachte. Wenn sie ihnen also erklären würde, dass sie nur dem Bach gefolgt und zufällig dort gelandet war und vom Laufen schrecklichen Durst bekommen hatte, wäre das sicher in Ordnung. Falls sie überhaupt fragten. Elizabeth würde zum Roy Rogers gehen und sehen, ob jemand dort war. Falls nicht, konnte sie trotzdem einen Mokkashake bestellen, vielleicht mit Pommes frites. Und dann, dachte sie fest entschlossen, würde sie sich übergeben, das würde sie heute lernen. Die Sorgen über ihr Gewicht waren nebensächlich; sie musste nicht abnehmen, sie wollte nur den Speckbauch loswerden, falls sie denn einen hatte, wovon sie immer noch nicht überzeugt war. Aber sie wollte etwas erzählen können, wenn sie in zwei Wochen ihre Freundinnen zum zweiten Highschool-Jahr wiedersah. Irgendwas musste sie doch für den Sommer vorzuweisen haben. Sie hatte keinen Freund so wie Claudia. Sie traute sich nicht zu klauen, so wie Debbie und Lydia, und die Bar ihrer Eltern interessierte sie nicht. Sie musste in diesen letzten Sommerwochen etwas tun, das als Erfolg durchgehen konnte, und das Spucken zu lernen wirkte am vielversprechendsten.
Dem Bach zu folgen, der nach den schweren Regenfällen am Wochenende hoch stand, war viel schwieriger als erwartet. Sie versank mit ihren Stiefeletten im Matsch, und als sie die Stelle erreichte, an der sie den Bach überqueren wollte, stellte sich heraus, dass das unmöglich war. Das ungewöhnlich tiefe Wasser bedeckte die Steine, über die sie hatte hüpfen wollen, und floss ziemlich schnell. Unsicher blieb sie stehen. Nachdem sie es so weit geschafft hatte, wäre es schade gewesen umzukehren, zumal sie meinte, schon den Verkehr auf der Route 40 hören zu können. Sie musste ganz in der Nähe sein.
Dann sah sie am anderen Ufer einen Mann, der sich auf eine Schaufel stützte.
»So schnell fließt das Wasser nicht, du kannst durchwaten«, sagte er. »Hab ich auch gemacht.« Dem Aussehen nach war er im College-Alter, aber irgendwas sagte Elizabeth, dass er nicht aufs College ging, nicht nur seine Art zu reden, sondern auch die Kleidung und die billige Baseball-Kappe, die er sich tief in die Stirn gezogen hatte. »Geh einfach da rüber, zu dem umgefallenen Baum. Das Wasser reicht dir höchstens bis zum Schienbein.«
Elizabeth tat, was er gesagt hatte, zog die Schuhe aus und klemmte sie sich unter die Arme, dass sie wie kleine Flügel hinter ihrem Rücken herausragten. Wie Flügel mit Zebramuster und Absätzen. Er hatte recht, vor der Strömung musste sie keine Angst haben, obwohl ihr das Wasser mit seinen ganzen Bakterien nicht geheuer war. Zum Glück hatte sie erst vor zwei Jahren eine Tetanusspritze bekommen, als sie auf einen rostigen Nagel getreten war. Und der Mann war nett, er wartete auf der anderen Seite, um ihr die Böschung hinaufzuhelfen, wobei er sie an den Handgelenken festhielt. Er war nicht viel größer als sie mit ihren eins sechzig, vielleicht zehn Zentimeter, muskulös, aber schmal. Er wirkte attraktiv mit seinen grünen Augen und den ebenmäßigen Zügen. Der einzige Makel war seine übermäßig schmale Nase. Er sah aus, als würde ihm die Welt stinken, dabei war er derjenige, der ein wenig roch. Wahrscheinlich, weil er an einem so heißen Tag gegraben hatte. Sein T-Shirt zeigte am Kragen und unter den Achseln Flecken, ein Schweißtropfen hing an seiner Nase.
»Danke«, sagte sie.
Er ließ sie nicht los.
»Danke. Es geht schon. Hier kann ich gut stehen.«
Er umklammerte ihre Handgelenke noch fester. Sie wollte sich losreißen und verlor dabei ihre Stiefeletten. Eine rollte gefährlich nah ans Wasser. Sie wehrte sich stärker, und er hielt sie fest, mit unbewegter Miene, als würde er alles aus großer Entfernung beobachten, als wäre nicht er derjenige, der sie festhielt.
»Mister, bitte .«
»Ich bringe dich hin, wohin du willst«, sagte er.
Kapitel 7
Eliza hatte sich nie selbst gegoogelt. Warum auch? Eliza Benedict würde nicht den Weg ins Internet finden, und die Geschichte von Elizabeth Lerner war
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