Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
das betraf, hatte sie immer ihr Revier abgesteckt. Dabei schrieben beide nicht mehr. Peter hatte es für die Finanzwelt aufgegeben, und Vonnie arbeitete als Herausgeberin einer Zeitschrift, die so klein und spezialisiert war, dass sie im Gegensatz zu den großen Medien nicht unter Problemen durch das Internet litt. Was nie große Summen eingebracht hatte, konnte keine großen Verluste einfahren. Vonnie gab ein Magazin über Außenpolitik heraus, das hundertfünfzig Dollar im Jahr kostete und noch dröger war als seine Abonnenten mit ihrem Durchschnittsalter von siebenundfünfzig. Die Abonnenten verlangten mittlerweile auch einen gewissen Zugriff über das Internet, aber Vonnie wehrte sich mit Händen und Füßen dagegen. »Das Leben läuft nicht getaktet«, sagte sie gerne. »Ich will eine Zeitschrift machen, die sich noch echtes Nachdenken leistet, ohne Reaktionen nach der Stoppuhr.«
Einen Brief , antwortete Eliza, ihrer Familie gegenüber reflexhaft ehrlich. Aber sie zögerte, bevor sie hinzufügte: an Walter Bowman.
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Es war komisch, von Vonnie eine Antwort wie von einem Teenager zu bekommen. Sie hätte auch schreiben können: Jetzt echt? , oder: Im Ernst?
Er hat mir geschrieben.
Sekunden später klingelte das Telefon.
»Was soll der Scheiß?«, fragte Vonnie.
»Ich könnte auch Iso sein. So spät ist es noch nicht.«
»Bist du aber nicht. Nächstes Mal passe ich besser auf, versprochen. Aber lass mich die Frage wiederholen: Was soll der Scheiß?«
»Ich habe mir das gut überlegt. Sein Brief ist …« Sie rechnete kurz nach. »… vor etwa zehn Tagen gekommen.«
»Und ich höre erst jetzt davon? Mom und Dad hast du es bestimmt erzählt.«
Das hatte Eliza gründlich vermasselt. Aber Vonnie war schrecklich anstrengend, ständig fordernd und immer um Aufmerksamkeit bemüht. Eliza hatte ihr nichts erzählt, um genau dieses Gespräch zu vermeiden. Jetzt versuchte sie, dieses Detail zu übergehen.
»Er hat mich auf einem Foto auf der Gesellschaftsseite erkannt. Wenn man weiß, dass wir in Bethesda wohnen, sind wir offenbar leicht zu finden. Ich schätze, er hat die Adresseintragungen eingesehen.« Wieder ging sie auf Nummer sicher, indem sie Vonnie nichts von Walters Komplizin erzählte. Ob doch Jared Garrett dahintersteckte, auch wenn es sich scheinbar um eine Frau handelte und Eliza sich nicht vorstellen konnte, dass diese perfekte violette Schrift von ihm stammte?
»Aber wieso willst du ihm antworten?«
»Weil …« Sie überlegte sich spontan eine Antwort, dann fiel ihr auf, dass sie sogar der Wahrheit entsprach. »Weil er sonst immer wieder schreibt, bis ich es tue. Ich kenne ihn, Vonnie.«
»Der Kerl ist ein Soziopath. So jemanden kann man nicht kennen. Er langweilt sich im Gefängnis. Da ist es kein Wunder, dass er sich meldet und mal sehen will, ob er eine Reaktion von dir bekommt. Das ist sein Problem, nicht deins. Ignorier ihn einfach.«
Vonnie war sich noch nie bei irgendetwas unsicher gewesen.
»Der Termin für seine Hinrichtung wurde festgelegt.«
»Da hast du es. Der Mann ist ein Sadist. An deiner Stelle würde ich ihm schreiben und ihn fragen, ob er sich vor seinem Ende bei all seinen Opfern meldet. Vor allem bei den Tacketts.«
»Wieso ›vor allem‹?«, fragte Eliza etwas zu scharf. Sie hatte immer empfindlich auf diese Art von Hierarchie unter Walters Opfern reagiert, nicht zuletzt weil sie gewissermaßen gleichzeitig ganz oben und ganz unten stand. Sie war das interessanteste Opfer, weil sie lebte, und aus dem gleichen Grund das uninteressanteste. Holly war die Hübscheste, das Goldkind. Holly war auf besonders brutale Art gestorben.
»Na ja, weil ihr Tod der Grund für seinen Tod ist, nicht wahr? Ihretwegen wird er hingerichtet.«
»Stimmt.« Maude hatte er in Maryland getötet, wo die Todesstrafe zwar noch auf dem Papier existierte, aber immer seltener angewendet wurde. Holly Tackett war in Virginia ermordet worden, wo man sich offenbar nicht mit solchen Skrupeln aufhielt. »Aber wieso sollte er den Tacketts schreiben, was sollte er sagen?«
»Erst mal könnte er gestehen. Das ist doch nicht zu viel verlangt, oder?«
Ohne es auszusprechen, dachte Eliza: Für Walter wäre das enorm. Walter sagte nie etwas, das er nicht sagen wollte. Er hasste nichts so sehr, wie zugeben zu müssen, dass er sich geirrt hatte, selbst bei Nebensächlichkeiten. Er hatte Eliza zum ersten
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