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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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wollte.) Ein Brief schien ihr die beste Möglichkeit zu sein, die Sache einzudämmen.
    Aber wenn sie sich in den wenigen freien Momenten, die einer Mutter blieben, an Peters Computer setzte, kamen ihr jedes Mal Zweifel. Briefe schrieb man heutzutage nicht mehr beiläufig. Selbst in ihrer Zeit in London hatte sie nie Briefe geschrieben. Anrufe über den großen Teich waren nicht allzu teuer, und für rasche Mitteilungen oder die Einzelheiten ihrer Besuche zu Hause boten sich Mails an. Eliza konnte sich nicht erinnern, wann sie zum letzten Mal einen Brief geschrieben hatte, und der an Walter war der erste echte Brief seit Jahren, wahrscheinlich seit Vonnie für ihre wütenden Schriebe, ihre ganze Familie hätte sie enttäuscht, auf den Computer umgestiegen war. Diese kurze Manie hatte sie mit Anfang dreißig durchgemacht, unter dem Einfluss eines in Verruf gekommenen Therapeuten, mit dem sie vermutlich auch eine Affäre gehabt hatte. Aber wie sollte man sonst mit einem Gefängnisinsassen kommunizieren?
    Eliza musste bei dem Gedanken lächeln, diese Frage würde wunderbar auf Peters und ihre Liste mit Sätzen passen, die sie nie von sich erwartet hätten. Die Liste führten sie schon seit der Collegezeit, beinahe seit dem Tag, an dem sie sich kennengelernt hatten, und im Grunde bestand sie aus Kommentaren, die sie zufällig aufgeschnappt hatten: Die Bouillabaisse ist der Hammer. Ich habe meinen Poncho im Ritz Carlton vergessen. Brathähnchen macht mich ganz scharf.
    Allerdings war Wie soll ich mit einem Mann im Gefängnis kommunizieren? nicht ganz so skurril und schon gar nicht einzigartig. Nicht in der weiten Welt und schon gar nicht in Elizas Welt, mit einer Mutter, die am Patuxent Institute arbeitete, und Elizas eigener Vergangenheit. Vielleicht hatte diese Frage sogar kommen müssen, und wenn Eliza sich Grübeleien über solche Dinge gestattet hätte, wäre ihr klar gewesen, dass Walter diese Welt nicht ohne eine Art Manifest verlassen würde. Wobei sich das nicht unbedingt an sie richten musste. Sie hatte sich fast schon etwas darauf eingebildet, wie sie sich in aller Öffentlichkeit versteckt hatte. Sie hatte es nicht unbedingt bewusst darauf angelegt, sich vor Walter zu verbergen, aber mit Peters Nachnamen und dem Umzug nach London hatte sie sich beinahe unsichtbar gefühlt.
    Walter hatte immer zu Selbstüberschätzung geneigt, er hatte sich für größer gehalten, als er war, und zwar in jeder Hinsicht. So hatte er steif und fest behauptet, er sei eins fünfundsiebzig groß, obwohl er eindeutig höchstens eins siebzig maß. Als er über seine Größe redete und sich diese nicht vorhandenen Zentimeter zusprach, war er so wütend geworden, wie Eliza es selten erlebt hatte. Das war eine der wenigen Gelegenheiten, bei denen sie das Gefühl gehabt hatte, die Oberhand zu besitzen – ein gleichzeitig erschreckender und schöner Moment. Das konnte sie sich bei Walter nicht herausnehmen – zumindest glaubte sie das. Als später Begriffe wie »Stockholm-Syndrom« gebraucht wurden – nicht von ihren Eltern, von niemandem, der ihr nahestand, sondern von Staatsanwälten, Journalisten und diesem widerlichen Jared Garrett –, erschien ihr das beleidigend oberflächlich. So abgestempelt zu werden weckte in ihr einen bleibenden Widerwillen gegen Klatsch, und sie gab sich so zurückhaltend, dass viele Leute sie für desinteressiert hielten, dabei war sie in Wahrheit nur krankhaft höflich. Sie fand es schrecklich, wie fasziniert Iso von Prominenten war, wie sie Zeitschriften und Internetfotos studierte und über Kleider, Frisuren und Benehmen von Menschen urteilte, denen sie nie begegnet war. Aber Eliza konnte Iso ihre heftige Abneigung nicht erklären, solange sie nicht bereit war, ihr alles zu erzählen. Eines Tages würde sie es tun, aber jetzt noch nicht.
    Es war schon spät, nach zehn. Peter besuchte noch eine Veranstaltung, die ihr erspart blieb, weil der Babysitter abgesagt hatte. Während sie am Computer Zeit vertrödelte, leuchtete am unteren Bildschirmrand ein Icon auf und zeigte ihr, dass ihre Schwester diese Unterwelt betreten hatte.
    Hi, Vonnie , tippte sie ein.
    Eliza! Das Ausrufezeichen drückte Überraschung aus, wenn auch nicht unbedingt Freude. Eliza hatte noch nie einen Chat mit ihrer Schwester begonnen, und bei Vonnies Versuchen hatte sie betont wortkarg reagiert. Was gibt’s?
    Nichts. Wollte nur was schreiben.
    WAS ? Genauso gut hätte Vonnie schreiben können: Peter schreibt. Ich schreibe. Du nicht. Was

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