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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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möglich gehalten hätte.
    »Brauchst du was?«
    »Ich wollte einen anderen Radiosender einstellen.«
    »Es läuft gar nicht«, wandte er ein. »Ich lasse den Schlüssel beim Tanken nicht stecken. Ich kannte mal einen Typen, der das gemacht hat, und sein Auto ist in die Luft geflogen. Er ist brennend immer im Kreis gerannt.«
    »Es sollte für nachher sein«, erwiderte sie beinahe schuldbewusst. Wieso hatte sie ein schlechtes Gewissen, wenn sie einen anderen Radiosender einstellen wollte? Er hatte sie entführt. Aber das Seltsame war, dass sich dieser Mann nicht benahm, als würde er etwas Falsches tun. Damit erinnerte er sie ein wenig an Vonnie, vor allem als sie noch jünger gewesen waren. Nach irgendwelchen Gemeinheiten hatte Vonnie ganz erstaunt über Elizabeths Reaktion getan und sich auf den kleinsten Fehltritt ihrer Schwester gestürzt, um ihr eigenes Verhalten zu entschuldigen. Als Elizabeth drei war, hatte Vonnie sie im Garten an einen Baum gefesselt und sie den ganzen Nachmittag dort gelassen. Auf die Schelte ihrer Eltern hatte Vonnie geantwortet: »Sie hat mit meinem Spirographen gespielt und sich ständig Teile in den Mund gesteckt. Ich wollte nur nicht, dass sie erstickt.« Am ersten April hatte sie für Elizabeth Milch mit Ovomaltine anrühren sollen und ihr ein scheußliches Gebräu aus Hustensirup und Cayennepfeffer unter die hellbraune Milch gemischt. Als Elizabeth husten und würgen musste, hatte Vonnie vorwurfsvoll gesagt: »Du hast gekleckert.« Als wären die Flecken schlimmer als die boshaften Gedanken des Menschen, der dieses abscheuliche Getränk zubereitet hatte.
    »Gefällt dir meine Musik nicht?«
    Sie wog ihre Antwort ab. Sie hatten Countrymusik gehört, die fast alle ihre Freundinnen uncool fanden. »Sie ist okay«, sagte sie. »Aber ich mag auch anderes.«
    »Was hörst du denn so?«
    »N-n-neuere Sachen.«
    »Madonna«, sagte er mit einem Blick auf ihre fingerlosen Spitzenhandschuhe. »Ich wette, Madonna.«
    »Ja, stimmt. Aber auch …« Sie überlegte angestrengt, welche Musik sie mochte. »Whitney Houston. Scritti Politti. Kate Bush.«
    Bis auf den ersten Namen war das Vonnies Musik, und Elizabeth war nicht sicher, warum sie sie für sich beanspruchte. Weil sie damit älter und klüger wirkte? Oder weil sie ahnte, dass der Mann die meisten nicht kannte und ihr das ein Stückchen Macht verlieh?
    »Sie ist verdorben«, sagte er.
    »Kate Bush?«
    »Whitney Houston. ›Saving all my love for you?‹ Ja, genau. Sie hat eine Affäre mit einem verheirateten Mann. So was macht man nicht.«
    »Aber sie liebt ihn. Und ist es nicht schlimmer, was er macht?«
    »Frauen sind besser als Männer. Die meisten wenigstens. Männer sind schwach, deshalb müssen Frauen stark sein.« Er drückte auf einen Knopf am Radio, damit es wieder auf seinen Sender sprang, obwohl sie das Gerät gar nicht angefasst hatte. Mit einem Klacken schaltete sich der Zapfhahn aus, und sie hoffte, er müsste zum Bezahlen in die Tankstelle gehen, dann würde sie … sie sah sich um. Was würde sie? Erstaunlich, wie schnell die Umgebung ländlich geworden war, sie waren mitten in der Einöde. Selbst wenn sich die Gelegenheit bot, aus dem Pick-up zu springen, wohin sollte sie laufen? Als er später an einem Autoschalter für sie einen Hamburger kaufen wollte, versuchte sie der Bedienung zu sagen, dass er sie entführt hatte, aber er nahm ihre Hand, drückte fest zu und sagte: »Über so was macht man keine Witze, Elizabeth.« (Sie hatte ihm ihren Namen genannt, nachdem er darauf bestanden hatte, doch seinen kannte sie noch nicht.) Die Kassiererin, kaum älter als Elizabeth, wirkte so gelangweilt, als würde sie so etwas jeden Tag sehen. Sie reagierte sogar leicht verärgert, vielleicht war sie Pärchen leid, die ihre Streitigkeiten und kleinen Scherze vor ihr austrugen. Das Mädchen hatte schlimme Akne und krauses Haar, und seine Uniform spannte sich über dem breiten Oberkörper. Elizabeth hätte am liebsten gerufen: »Er ist nicht mein Freund! Ich hatte noch nie einen Freund! Ich bin dir ähnlicher, als du denkst, nur dass ich noch zu jung bin, um zu arbeiten oder Auto zu fahren.«
    Er hielt ihre Hand weiter fest. Dabei übte er gerade so viel Druck aus, dass sie das Gefühl hatte, er würde ihr im nächsten Moment jeden Knochen brechen, wenn sie ihm nicht gehorchte. Dann streichelte er ihr über die Innenseite des Arms. Sie musste an ein Spiel denken, das sie mit ihren Freundinnen gespielt hatte. Dabei schloss man die Augen

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