Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
als sie das Telefon im Schlafzimmer abnahm.
»Spreche ich mit Elizabeth?«, fragte eine Frauenstimme.
Beinahe hätte Eliza automatisch mit Nein geantwortet.
»Elizabeth Benedict?«, hakte die Frau nach. Aber diese Namen traten nie zusammen auf. Das war sicher ein Telefonwerber, der irgendeine öffentliche Liste abarbeitete, vielleicht die Adressliste des Bezirks. Allerdings benutzte sie, abgesehen von Führerschein und Pass, auf allen offiziellen Dokumenten den Namen Eliza, schon seit sie sich 1968 an der Wilde Lake Highschool eingeschrieben hatte. Konnten Callcenter auf die Daten der Kraftfahrzeugbehörde zugreifen?
»Ja, aber setzen Sie mich bitte auf Ihre Sperrliste. Ich kaufe nichts am Telefon.«
»Ich will auch nichts verkaufen.« Die Frau sprach mit rauer Stimme und lachte kehlig. »Ich bin die Vermittlerin.«
»Welche Vermittlerin?«
»Ich habe Walters Brief an Sie weitergeleitet. Er würde Sie gern auf seine Anrufliste setzen.« Wieder dieses kehlige Lachen. »Nicht zu verwechseln mit der Robinson-Liste.«
»Wie bitte?«
»Er darf bis zu fünfzehn Leute per R-Gespräch anrufen. So viele hat er natürlich längst nicht. Nur seinen Anwalt und mich, soweit ich weiß. Er kann Sie ohne das Wissen seines Anwalts auf die Liste setzen lassen. Aber Sie müssen zustimmen. Wollen Sie?«
»Will ich …«
»Zustimmen.« Die Frau wurde hörbar ungeduldig. »Es reicht allerdings nicht, es mir zu sagen. Sie müssen einen offiziellen Antrag beim Gefängnis stellen. Dann kommt der Papierkram. Ohne Papierkram geht gar nichts.«
»Ich … nein, ich glaube nicht. Nein.«
»Es ist Ihre Entscheidung«, sagte die Frau, um dieser offensichtlichen Tatsache sofort zu widersprechen. »Aber ich finde, Sie sollten Ja sagen.«
»Entschuldigung, wer sind Sie überhaupt?«
»Eine Freundin von Walter.« Sie redete überstürzt weiter, als wollte sie eine Frage vorwegnehmen, die ihr ständig gestellt wurde. »Ich bin keine von diesen Verrückten, die sich in Häftlinge verknallen. Ich bin gegen die Todesstrafe. Ganz allgemein, aber ich konzentriere mich auf Virginia, vor allem seit Maryland sie faktisch ausgesetzt hat. Ich bin mit mehreren Häftlingen befreundet und engagiere mich für sie. Aber Walter liegt mir besonders am Herzen. Wussten Sie, dass Virginia an zweiter Stelle aller Bundesstaaten steht, was die Anzahl von Hinrichtungen betrifft? In Texas gibt es natürlich mehr, aber die Bevölkerung ist auch viel größer. Und wenn Sie wüssten, wie Berufungen hier aussehen …« Wieder dieses Lachen. Sie setzte es ein wie ein Satzzeichen, auch wenn es völlig unangebracht war.
»Wenn Sie Walter wirklich kennen …«
»Ich kenne ihn«, schnappte die Frau, hörbar beleidigt darüber, dass Elizabeth das infrage stellte.
»Ich wollte sagen, wenn Sie seine und meine Geschichte kennen, wissen Sie auch, dass ich nie mit ihm in Kontakt stand.«
»Glauben Sie, dass er es verdient hat, für seine Taten zu sterben?«
»Was ich glaube, ist egal. Er wurde für den Mord an Holly Tackett zum Tode verurteilt, und ihre Eltern haben sich deutlich für die Todesstrafe ausgesprochen. Ich wurde nicht gefragt.«
»War Ihre Mutter nicht Quäkerin?«
»Meine Großmutter«, antwortete Eliza verunsichert. Hatte sie das Walter erzählt? Sie hatten in den Wochen, die sie bei ihm war, viel geredet, aber sie hatte darauf geachtet, nicht zu viel von sich preiszugeben. Schon mit fünfzehn war sie so klug gewesen, nicht Walters Neid und Missgunst zu wecken, und sie hatte erkannt – wenn auch erst durch die Entführung –, dass sie wirklich eine beneidenswerte Familie hatte. Zum Beispiel hatte sie ihm nicht erzählt, dass ihre Eltern Psychiater waren, und schon gar nicht, dass ihre Mutter mit geisteskranken Straftätern arbeitete. Ihr Haus hatte sie als durchschnittlich beschrieben, als älteres Terrassenhaus auf der Südseite der Frederick Road, um ihn von der richtigen Spur abzubringen, falls er seine Drohungen irgendwann wahr machen wollte. Sie konnte sich nicht erinnern, über ihre sanftmütige Großmutter gesprochen zu haben. Ihre Großmutter hatte das Bethaus der Quäker im Norden von Baltimore besucht und sich gewünscht, die Mädchen würden zur Friends School gehen, trotz der weiten Entfernung. Sie hatte sogar angeboten, das Schulgeld zu bezahlen.
Später – danach – war diese Möglichkeit wieder zur Sprache gekommen; man hatte überlegt, Elizabeth – jetzt Eliza – könnte die Friends School besuchen und während der Woche bei ihrer
Weitere Kostenlose Bücher