Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Großmutter wohnen. Aber Eliza hatte Einspruch eingelegt. Sie wollte an eine größere Schule wechseln, nicht an eine kleinere. Sie brauchte einen Ort, an dem sie als Neue nicht so auffiel.
»Ihre Großmutter würde bestimmt nicht wollen, dass Walter hingerichtet wird.«
»Bei diesem Gespräch ist mir … unwohl«, sagte Eliza. »Das verstehen Sie sicher. Ich muss jetzt leider aufhören.«
Ihr fiel auf, dass sie zu dieser Frau – warum hatte sie sich eigentlich nicht vorgestellt? – freundlicher war, als sie es zu einer Telefonwerberin gewesen wäre.
»Es tut mir leid«, sagte die Frau so ernsthaft, dass es Eliza jeden Anflug von Selbstgerechtigkeit austrieb. »Ich lasse mich manchmal mitreißen. Walter kann davon ein Lied singen. Er wäre böse, wenn er wüsste, dass ich Sie aufgeregt habe. Es ist nur … ich kann so wenig tun. Für ihn. Den Kontakt zu Ihnen herzustellen war endlich mal eine Gelegenheit, ihm einen Stein in den Garten zu werfen.«
Einen Stein in den Garten werfen. Elizabeth wusste nicht, wann sie diese Formulierung zum letzten Mal gehört hatte.
»Er würde nicht wollen, dass ich Sie bedränge. Das ist nicht seine Art. Er würde so gerne mit Ihnen reden. Aber er will Sie auf keinen Fall belästigen.«
»Will er über etwas Bestimmtes mit mir sprechen?«
»Nein«, antwortete die Frau. »Es geht ihm schlecht. Er weiß, dass er sterben wird. Damit hat er sich abgefunden. Er sitzt länger als jeder andere in Virginia in der Todeszelle. Haben Sie das gewusst? Er hat andere Männer kommen und … gehen sehen. Ich glaube, allmählich hat er gedacht, er würde nie an die Reihe kommen; sein Fall war so außergewöhnlich. Aber das wissen Sie ja.«
Eliza wusste nicht, in welcher Hinsicht Walters Fall so außergewöhnlich sein sollte, aber sie wollte über dieses Thema nicht diskutieren.
»Sagen Sie mir bitte, wie Sie heißen?«, bat sie die Frau.
»Warum?« Die Frage klang misstrauisch und skeptisch. Eliza hätte beinahe gelacht. Sie haben mich angerufen, auf Walters Bitte hin, Sie haben ihm ermöglicht, mir zu schreiben, und jetzt fragen Sie nach meinen Absichten?
»Weil ich darüber nachdenken und Sie zurückrufen will.«
»Ich hoffe, Sie haben nichts vor«, warnte die Frau sie. »Machen Sie uns keinen Ärger. Wir haben nichts Falsches getan.«
Das ist lächerlich , dachte Eliza. Erst jetzt fiel ihr ein, auf ihrem Telefon nach der Anruferkennung zu sehen. Die Nummer war unterdrückt. »Das ist lächerlich«, sagte sie laut. »Sie haben mich angerufen. Sie wollen einen riesigen Gefallen von mir und verlangen sofort eine Antwort. Ich will nur darüber nachdenken können.«
»Ich melde mich wieder«, sagte die Frau. »Anfang nächster Woche. Wissen Sie, wir haben nicht mehr viel Zeit.«
Kapitel 12
1985
Das Haarband , dachte Walter, als er zwei Tage später die Baltimorer Zeitung las. Dieses verdammte Madonna-Groupie-Haarband. Wann war es heruntergefallen? War sie so durchtrieben, dass sie es absichtlich hatte fallen lassen, als er sie in den Pick-up zog? An ihre Stiefeletten hatte er gedacht, weil sie Schuhe brauchte und diese reichen mussten, bis er ihr vernünftigere besorgen konnte. Es war egal. Auf der Suche nach ihr hatte man das Haarband gefunden und danach das Grab. In der Zeitung, die den Ereignissen einen Tag hinterherhinkte, hieß es, die Leiche müsse erst noch exhumiert werden. Dabei würde sofort herauskommen, dass es sich um ein anderes Mädchen handelte. Tatsächlich war die Tote wahrscheinlich längst ausgegraben und identifiziert, während er hier bei verbranntem Kaffee und halb rohen Eiern saß.
Er hatte an einem Rastplatz im Westen Marylands Halt gemacht, kurz vor der Gabelung, an der man sich zwischen der Fahrt nach Westen, Richtung Cumberland, oder nach Pennsylvania im Norden entscheiden musste. Der Osten, Richtung Baltimore, kam nicht infrage. Nach Norden, nach Norden, nach Norden , sagte ihm sein Hirn, dann nach Westen. Aber sein Pick-up hatte Nummernschilder aus West Virginia, und die sah man außerhalb seines Heimatstaats nicht oft auf großen Straßen. Er hatte sogar selbst schon nach diesen blau-goldenen Schildern Ausschau gehalten. Sicher, auf dem Ohio Turnpike waren sie wahrscheinlich nicht so selten, trotzdem wollte er nur ungern in diese Gegend fahren, nicht zuletzt, weil er sie nicht kannte. Ihm ging auf, dass er gar kein Abenteurer war. Er hatte gedacht, er würde unbedingt reisen wollen, ferne Orte sehen, und jetzt wollte er nur noch nach Hause
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