Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
jeden Wunsch erfüllten. Von diesem Bild sprangen ihre Gedanken zu ihrem geliebten Künstler Henry Darger und seinen verstörenden Porträts der Fünfzigerjahre-perfekten, putzmunteren, perversen Vivian Girls. Die Walter Girls, seine eigene Privatarmee.
Aber Walter lag nichts an Armeen. Auf seine groteske Art gab es für ihn immer nur eine Frau. Zumindest war das sein Ziel. Manchmal hatte er das sogar gesagt. Ich will nur die Eine finden. Ich suche nur nach der richtigen Frau für mich.
»Mein Name ist Eliza.«
»Ihr richtiger Name«, sagte die Frau.
»Mein Name«, wiederholte sie, »ist Eliza. Vielleicht verwechsele ich Sie.« Sie unterbrach sich, um ihren Versprecher zu korrigieren. »Vielleicht haben Sie mich verwechselt.«
»Vielleicht habe ich Sie etwas verwirrt«, sagte die Frau kichernd.
Sie nahm ihre Sonnenbrille ab. Obwohl sie damit die Narbe enthüllte, die von einem Augenwinkel nach unten verlief, wirkte sie ohne die Gucci-Brille weniger bedrohlich. Eliza fiel ein, was Peter ihr erzählt hatte. Eine Lehrerin, die im Klassenzimmer angegriffen wurde und sich jetzt für Häftlinge einsetzte. Auf dem Papier klang das nach jemandem, den Eliza mögen würde.
»Er braucht Sie, Elizabeth.«
Sie schüttelte den Kopf.
»Also gut, Eliza.«
»Es geht nicht um meinen Namen«, sagte sie. »Er braucht mich nicht.«
»Doch, er braucht Sie.«
Sie versuchte es noch einmal. »Er hat kein Recht, mich zu brauchen.«
Die Frau beugte sich über den Vordersitz, als wollte sie Eliza bitten einzusteigen. Reba knurrte. Sie wirkte überrascht, dann schien ihr das Geräusch zu gefallen. Selbstsicherer knurrte sie noch einmal. Barbara LaFortuny – wer sollte es sonst sein? – wich zurück, hob etwas auf und streckte Eliza ein zusammengefaltetes Blatt entgegen.
»Er hat mich gebeten, Ihnen das persönlich zu geben. Er wollte ganz sicher wissen, wann Sie es bekommen haben. Zeit ist wichtig für ihn. Die Uhr tickt. Das Datum steht schon fest.«
Eliza betrachtete das weiße Papier in Barbaras Hand – ein einzelnes Blatt, wie viel mochte es enthalten, wie viel Schaden konnte es anrichten? – und nahm es widerwillig entgegen. Ein Beweis, dachte sie. Wenn die Frau losfuhr, würde sie sich auch das Nummernschild merken. Sie würde sich jede Einzelheit dieser Begegnung merken. Was sie mit diesen Erinnerungen anstellen würde, wusste sie nicht, aber sie würde sich erinnern.
Barbara LaFortuny hatte schöne Hände – manikürte Nägel, interessante, aufdringlich funkelnde Ringe – und, der kurzen Berührung ihrer Finger nach zu urteilen, weiche Haut. Ihre Frisur mochte exzentrisch sein, aber diese Frau besaß genug Zeit und Geld für sich. Eliza faltete das bereits geknickte Blatt noch einmal auf die Hälfte und steckte es in die Tasche ihrer Fleecejacke, die sie über ihr T-Shirt gezogen hatte. Es war der erste Herbstmorgen. Auf dem Weg zu Albies Schule war sie fröhlich gewesen, hatte seine Tasche getragen, während er Rebas Leine gehalten hatte.
»Komm mit …« Sie verschluckte den Namen der Hündin. Barbara LaFortuny sollte nichts über ihre Familie erfahren. Sie wusste schon jetzt viel zu viel. War dieses grüne, verspielte Gangster-Auto ihr und Albie morgens zur Schule gefolgt? Sie überlegte, ihr Handy aus der Tasche zu ziehen und LaFortuny zu fotografieren, damit sie das Bild an Albies und Isos Schulen zeigen konnte, aber das Auto rollte bereits davon. Nummernschilder aus Chesapeake Bay. Rettet die Bucht. Rettet Walter. An Anliegen mangelte es Barbara LaFortuny nicht.
Zu Hause setzte Eliza Teewasser auf, aber dann klingelte das Telefon, mitten im Gespräch kam etwas von FedEx, der Kessel pfiff, und die einschüchternd hochtechnisierte Waschmaschine fing an, mit einem Fehlercode zu piepen, weswegen Eliza das Handbuch suchen musste, und bevor sie sich’s versah, war es halb vier am Nachmittag, Zeit, Albie abzuholen, viel zu warm für ihre Fleecejacke, und sie trieb wieder im Sog des Familienlebens. Erst um zehn Uhr abends hatte sie genug Zeit und Ruhe, um den Brief zu lesen, um elf fiel ihr ein, dass sie ihn in die Tasche gesteckt hatte.
Er war nicht mehr da.
Kapitel 16
1985
Obwohl – oder gerade weil – Walter in der Nähe aufgewachsen war, hatte er nie die Luray Caverns besucht, ein riesiges Höhlensystem im Osten der USA , und so setzte er sich in den Kopf, dass er und Elizabeth dort einen Tag verbringen sollten. Die Idee war unvernünftig, weil sie ständig knapp bei Kasse waren, aber die Schilder am
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