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Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)

Titel: Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lippman
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warum sie seine Bremsklötze erneuert hatten, die so dünn gewesen waren wie abgelegte Babystrampler. Der Mann war groß gewesen, nur etwa sechs oder sieben Jahre älter als Walter, der damals siebzehn gewesen war, hatte aber sehr wichtiggetan. In seinem Auto hatte es nach Zigarren gerochen, und als sie den Motor nach der Reparatur angelassen hatten, um alles zu überprüfen, hatte aus dem Radio Opernmusik gedröhnt. Walter glaubte keinen Moment lang, dass dem Mann diese Musik tatsächlich gefiel. Er war nur darauf aus, andere zu beeindrucken. Gleichzeitig war Walter klar, dass es wahrscheinlich funktionierte und die Mädchen wirklich beeindruckt waren. Frauen waren so oberflächlich.
    »Wir fahren zu den Höhlen«, erklärte er Elizabeth. »Das ist gut für die Bildung.«
    Sie seufzte noch tiefer, und als das zu wenig war, schob sie die Unterlippe vor und machte ein regelrecht unanständiges Geräusch. Ihm juckte die Hand. Er verpasste ihr eine Ohrfeige, nur eine leichte, und freute sich, als ihr Tränen in die Augen traten.
    Die Führung gefiel ihr, das sah er ihr an, auch wenn sie für die Höhlen nicht warm genug angezogen waren. Bald würden sie mehr Kleidung brauchen, Jacken, Pullover und Stiefel. Er musste ihr Leben ordnen und feste Arbeit finden. Aber ohne Zeugnisse bekam er keine Stelle als Mechaniker, und eine eigene Werkstatt würde zu viel Startkapital und Fixkosten bedeuten. Außerdem hätte er am liebsten einen Reparaturladen für alles eröffnet, nach dem Motto: »Was Sie kaputtmachen, kann ich reparieren.« Oder: »Ich bringe alles in Ordnung, von der kaputten Tür bis zum gebrochenen Herzen.« Den Satz hatte er von Earl geklaut, dem Kollegen, der zu den Marines abgehauen war. Er war jünger als Walter gewesen, aber nett, einer der wenigen Menschen, die ihn nicht wie einen Idioten behandelten. Könnte Walter nicht auch Soldat werden? Nein, das war nicht wie in diesen alten Filmen, in denen man zur Fremdenlegion ging und abtauchte. Oder wie in diesem Streifen vor ein paar Jahren, in dem ein Mann mit zweihunderttausend Dollar Lösegeld mit einem Fallschirm aus dem Flugzeug gesprungen war. Junge, war die Frau in diesem Film hübsch gewesen, genau sein Typ. Dünn, aber mit großen Brüsten und einem herausfordernden Lächeln. Konnte er für Elizabeth ein Lösegeld bekommen? Kein großes, nach allem, was er über ihre Eltern wusste. Sie erzählte ständig, sie hätten wenig Geld. Computer konnten einen immer finden, egal wohin man ging. Immerhin hatte er diesen Film WarGames gesehen. Was sollte er tun? Er war in Gedanken so damit beschäftigt, seine Alternativen oder besser mangelnden Alternativen durchzugehen, dass er kaum auf die Führung achten konnte.
    Die Höhle war nicht voll, außer ihnen nahm nur eine Schulklasse an der Führung teil. Die noch jungen Kinder, nicht älter als zehn oder elf, waren laut und begeistert vom Schall und Echo ihrer Stimmen. Elizabeth betrachtete sie mit eigenartigem Blick, als könnte sie sich nicht daran erinnern, jemals so jung gewesen zu sein. Dann wurde ihm klar, dass nicht das Alter sie von den Kindern trennte. Er war es, das Leben, das er für sie geschaffen hatte. Elizabeth gehörte nicht mehr in ihre Welt, in eine Welt mit Eltern und Fernsehen und Abendessen und Schule. Sie hatte das so bereitwillig akzeptiert, dass er ein wenig den Respekt vor ihr verlor. Sicher, am Anfang hatte er ihr eine Scheißangst eingejagt und ihr gezeigt, dass er ihr wehtun konnte – jäh, brutal, ohne große Anstrengung. Aber nach diesen ersten Tagen hatte er nie wieder die Hand gegen sie erhoben, und trotzdem blieb sie. Diesen Tag zählte er nicht mit, das war nur ein Knuff gewesen, eine Warnung. In gewisser Weise hatte er sie am Hals. Warum dieses Mädchen, das nur über ihn gestolpert war? Warum konnte er nicht ein Mädchen haben, das er ausgesucht hatte? Das war alles so unfair.
    Er könnte sie freilassen, jetzt sofort. Er könnte ihr auf die Schulter tippen, ihr sagen, er würde zur Toilette gehen, sie solle sich nicht rühren, und sie würde gehorchen. Er könnte auch warten, bis sie zur Toilette gehen wollte, könnte seine üblichen Regeln und Ermahnungen abspulen, wie viel Zeit sie hätte und dass sie mit niemandem reden dürfte, nicht einmal wenn sie angesprochen wurde, und dass sie es sonst zweifellos bereuen würde. Und wenn sie wieder herauskam, würde er verschwunden sein. Wie lange sie wohl warten würde? Er war fast versucht, sich irgendwo zu verstecken und abzuwarten,

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