Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
Highway lockten ihn. Er wollte die Höhlen unbedingt sehen, ganz zu schweigen von den Oldtimern, auch wenn er nicht verstand, warum bei den Luray Caverns alte Autos gezeigt wurden. Er redete sich ein, der Besuch würde Elizabeth Freude machen.
Zu seiner Überraschung widersprach sie, hielt das Ganze für Verschwendung. Er hatte in letzter Zeit immer weniger Jobs gefunden, und sie hatten öfter draußen geschlafen, obwohl es nachts in den Bergen kälter wurde.
»He, ich will nur etwas Nettes für dich machen.« Wer war sie überhaupt, dass sie mit ihm über Geld stritt? Dass sie überhaupt mit ihm stritt? Sie gab selten Widerworte, und es gefiel ihm nicht, dass sie jetzt damit anfing. Diese Entwicklung sah er mit Sorge. Sie brauchte mehr Disziplin.
»Ich war da schon«, sagte sie. »Vor zwei Jahren erst.«
»Und wie war es?«
»Ganz nett. Ich weiß nur noch, wie man sich den Unterschied zwischen Stalagmiten und Stalaktiten merken kann.«
Eigentlich wollte er nicht fragen, aber sie würde es offenbar nicht von sich aus erklären. »Und wie?«
»Stalaktiten mit einem ›t‹ tropfen von der Decke. Stalagmiten wachsen am Grund der Höhle.«
»Na, dann könnte man sich doch genauso gut ›g‹ für Grund merken, oder?«
Das ließ sie kleinlaut werden.
»Klar, das würde auch gehen.«
»Und du warst zwar da, aber ich noch nicht. Ist das fair?«
»Du hast gesagt, das sollte etwas für mich sein.« Das stimmte und war gleichzeitig zum Aus-der-Haut-Fahren. »Wenn es nach mir ginge, würde ich das Geld lieber für etwas anderes ausgeben.«
»Zum Beispiel?«
»Keine Ahnung. Für ein Abendessen in einem Restaurant, statt immer nur Fast Food oder irgendwas Kaltes aus dem Supermarkt. Was zum Anziehen.«
»Ich habe noch weniger Klamotten als du.«
Sie setzte an, etwas zu erwidern, überlegte es sich dann anders und ließ sich mit einem so tiefen Seufzer in den Beifahrersitz fallen, dass ihr Atem den Pony hochblies, der ihr in die Augen hing. In diesem Moment erkannte Walter, wie es sein würde, irgendwann eine Tochter in diesem Alter zu haben, wie aufreibend und innig und erschreckend.
Im nächsten Augenblick wurde ihm klar, dass er nie eine Tochter haben würde, auch keinen Sohn und keine Frau. Etwas kam auf ihn zu, etwas Großes. Wegen seiner Taten, das ja, aber auch weil es sein Schicksal war. Wenigstens sein Tod würde heldenhaft sein. Eine Verfolgungsjagd, ein Kampf. Er würde einen großen Tod sterben, und das gefiel ihm.
Aber was hatte er eigentlich getan, außer sich das verschaffen zu wollen, was andere hatten und als selbstverständlich annahmen, was ihnen in den Schoß fiel? Überall sah er Pärchen, die Händchen hielten und das Zusammensein genossen. Männer, die längst nicht so gut aussahen und wahrscheinlich auch nicht so viel konnten wie er, waren mit umwerfenden Frauen zusammen, und er begriff nicht, wie das zustande kam. Am Anfang hatte er sich nur eine Freundin gewünscht, und eine Freundin hatte er sich gewünscht, weil er irgendwann eine Ehefrau und dann Kinder haben wollte. Sicher, er war es überstürzt angegangen, hatte schlechte Entscheidungen getroffen. Aber gute Entscheidungen fielen schwer, wenn man jemanden nicht richtig kennenlernen konnte. Wie sollte man nach der Schulzeit überhaupt Bekanntschaften schließen? Bei der Arbeit in der Werkstatt seines Vaters hatte er keine Chance, Frauen kennenzulernen. Mit den wenigen, die überhaupt kamen, ergab sich kein Gespräch, und in seinem Overall sah er kleiner aus, als er war. Und selbst wenn sie über den Overall hinwegsehen könnten, wenn sie sein nettes Gesicht und seine grünen Augen bemerkten, dachten sie wahrscheinlich: »Ach, ein Schrauber.« Schrauber! Hatten die Leute überhaupt eine Ahnung, wie klug man sein musste, um Autos zu reparieren? Ärzte waren auch nicht schlauer als Mechaniker, sie spielten nur um größere Einsätze. Ärzte konnten sich spezialisieren. Einer kümmerte sich um das Herz, einer um das Hirn, ein dritter um Knochen. Er und sein Vater reparierten alles, einheimische und ausländische Autos, und sie waren ehrlich. Niemand, der sie kannte, hatte ihnen je etwas vorzuwerfen gehabt. Einmal war ein Fremder durch die Stadt gekommen und liegen geblieben, mit einem neueren Auto mit einer elektronischen Zündanlage, was immer schwierig war. Trotzdem hatten sie den Mann noch am selben Tag wieder auf die Straße schicken können und ihm damit die Kosten für ein Motel erspart, und er hatte doch tatsächlich gefragt,
Weitere Kostenlose Bücher