Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
dass sie sich wie Madonna verkleidet, wenn wir nicht hier sind? Was schadet es, wenn sie die Abkürzung durch den Wald nimmt, um zu dem Burger-Laden an der Route 40 zu gehen? Wenigstens bekommt sie viel frische Luft und Bewegung. Sie hatten recht gehabt, aber auch unrecht. Alles konnte schaden.
»Ähm … nein. Aber bei ihr ist es was Besonderes. Sie …«
Es war komisch, ihre Tochter lügen zu sehen. Zumindest hätte sie es komisch gefunden, wäre es nicht gleichzeitig erschreckend gewesen.
»Sie hat so eine Krankheit. Irgendwas mit den Nerven. Man sieht nichts.«
Wenigstens war das eine geschickte Lüge. So musste Iso keine Klassenkameradin im Rollstuhl oder mit Beinschiene vorzeigen. Aber Eliza hatte von diesem Spielchen genug.
»Nimm nicht einfach Geld aus meinem Portemonnaie, ohne zu fragen, Iso, in Ordnung? Nicht mal einen Dollar. Ohne meine Erlaubnis solltest du gar nicht reinsehen. Ich bin deine Mutter, trotzdem erwarte ich so was wie Privatsphäre.«
»Du gehst doch auch in mein Zimmer«, sagte Iso. »Du hast auch in mein Portemonnaie gesehen.«
»Weil ich nach verlorenen Sachen gesucht habe. Nicht, um zu spionieren. Nicht …« Sie senkte die Stimme, damit Albie, der Reba bei ihrer Erkundung des neuen Gartens begleitete, sie nicht hörte. »… um zu stehlen.«
»Ich habe nicht gestohlen!« Vehement, trotzig. »Das war kein Stehlen. Ich habe einen Dollar gebraucht. Hättest du etwa gewollt, dass ich als Einzige nichts dazugebe?«
Sie war so selbstgerecht in ihrer Wut, dass Eliza ein Lächeln unterdrücken musste. Wie schnell sie sich von ihrer eigenen Geschichte überzeugt hatte! Wenigstens hatte sie das von ihrem ursprünglichen Thema abgelenkt.
Oder auch nicht. »Ich will keinen Hund, der Reba heißt«, sagte Iso plötzlich.
Die Hündin hob den Kopf und sah sich fragend nach ihnen um. Ein Lächeln konnte man das nicht nennen, sollte es wohl auch nicht. Anthropomorphismus. Aber Eliza erkannte den Anflug einer zögerlichen, aufkeimenden Zufriedenheit, die sie verstand. Habt mich bitte lieb. Tut mir nicht weh.
»Sie kennt ihren Namen«, rief Albie begeistert.
Als Eliza zwei Tage später mit Reba nach Hause ging, nachdem sie Albie zur Schule gebracht hatten, fiel ihr ein grünes Auto auf, das ihr folgte. Es war eines dieser merkwürdigen Autos, die Albie so toll fand und die Eliza mit ihrer hohen, rundlichen Form vage an die Dreißigerjahre erinnerten, an Gangster und Spelunken, obwohl die Autos selbst nicht bedrohlich aussahen, ganz im Gegenteil. Sie waren beinahe knuddelig, wenn man das von Autos behaupten konnte, und so unbefangen eigenartig, dass sie reizend wirkten. Beinahe wie Albie.
»Elizabeth!«, rief eine Frauenstimme aus dem Auto.
Eliza zwang sich, sich nicht umzudrehen und weiterzugehen.
»Elizabeth«, beharrte die Ruferin.
Reba war stehen geblieben, um den Boden näher zu inspizieren, und Eliza brachte es nicht fertig, der Hündin eine Freude zu verweigern, und sei sie noch so klein. Sie ließ sich viel zu schnell einschüchtern. Eliza wünschte sich, Reba würde das Leben etwas mehr genießen und nicht ständig so verdammt dankbar sein.
»Dann eben Eliza.« Ein entnervtes Nachgeben, als wäre Eliza ein bockiges Kind.
»Ja?« Eliza wandte sich nur leicht um. Die Frau hatte das Fenster auf der Beifahrerseite heruntergefahren, war aber aus diesem Winkel kaum zu erkennen.
»Warum haben Sie sich nicht vorher umgedreht?« Sie sprach in genau dem Ton, den Eliza bei Iso möglichst vermied. Streitsüchtig, fordernd. Bei diesem Ton musste man einfach widersprechen.
»Ich wusste nicht, wen Sie meinen.«
Die Frau in dem Auto trug eine riesige Sonnenbrille. Eliza fragte sich, ob ihr klar war, wie befremdlich das wirkte, ob ihr bedrohliches Aussehen Absicht war oder sie einfach nicht darüber nachgedacht hatte. Ihr üppiges Haar in der Farbe von gesponnenem Zucker formte sich zu mehreren Frisuren, als hätte sie diese beeindruckende Mähne in sechs oder acht einzelne Strähnen geteilt und jeder einen anderen Stil verpasst. Sie trug Locken und Wellen und sogar zwei Arten Ponys: einen kurzen Pony über der Stirn und lange Strähnen, die über die Wangen hingen.
»Das ist doch Ihr Name, oder?« Das musste Barbara LaFortuny sein. Bitte , dachte Eliza, lass sie das sein. Sie mochte gar nicht daran denken, was es bedeuten würde, wenn plötzlich immer mehr Leute auftauchen und sie mit ihrem alten Namen ansprechen würden. Vor ihrem inneren Auge erhob sich eine Armee von Frauen, die Walter
Weitere Kostenlose Bücher