Denn mein ist deine Seele: Psychothriller (German Edition)
wann sie sich an jemanden wandte. Wahrscheinlich würde sie den ganzen Tag sitzen bleiben, bis ihr ein Wachmann mitteilte, sie würden schließen.
Er könnte auch langsam zurückweichen, den Blick fest auf die schmalen Schultern in dem Sweatshirt gerichtet, das sie angeblich scheußlich fand, sich leise zurückziehen, bis er im Sonnenlicht stand, dann losrennen, in seinen Pick-up springen und wegfahren, um sich einen Vorsprung zu sichern.
Wie viel wusste sie, was konnte sie der Polizei erzählen? Eine Leiche, Maude, hatten sie bereits gefunden, aber Elizabeth wusste nicht, wo die anderen Mädchen waren, sie wusste nicht einmal, dass es andere Mädchen gab, obwohl er darauf angespielt hatte, wie weit er gehen würde, wenn man ihn wütend machte oder herausforderte. Allerdings konnte Elizabeth ihnen von seinem Pick-up erzählen. Sie konnte seinen Namen nennen und sagen, dass er aus West Virginia stammte. Auch andere Dinge hatte er ihr erzählt, Dinge, die man nun mal erzählte, wenn man viel Zeit mit jemandem verbrachte; allerdings war das nichts, wodurch man jemanden finden konnte. Was er gerne aß, was er im Fernsehen sah, von seiner einzigen Reise ans Meer und davon, wie enttäuscht er gewesen war, vor allem von diesen Bonbons, den Salt Water Taffys, die längst nicht so besonders waren, wie die Leute immer erzählten.
Er könnte sie gehen lassen, könnte zulassen, dass die singenden Zehnjährigen sie langsam umringten, aufnahmen und weitertrugen, bevor sie es bemerkte. Altersmäßig war sie nicht weit von ihnen entfernt, egal was sie dachte. Sie war immer noch ziemlich unschuldig, mit ihren Geschichten über diesen Hund. Und ihren Tränen nachts im Badezimmer, wenn sie dachte, er könnte sie nicht hören, oder vor dem Einschlafen, wenn sie versuchte, sie mit ihrem Kissen oder der Faust zu unterdrücken. Du bist nur ein Kind , wollte er ihr sagen. Geh zurück, sei wie sie. Es war nicht zu spät. Er konnte …
Sie drehte sich um, ihre Blicke trafen sich, und der Augenblick, der Impuls war vergangen. Wem wollte er etwas vormachen? Sie hatten einander am Hals.
Kapitel 17
Erst zwei Tage später fand Eliza das Blatt wieder, in der Altpapiertonne, mit einem Bild von Albie auf der leeren Seite. Darauf fuhren er und Reba auf einem Tandem.
»Albie, warum hast du auf …« Sie musste kurz überlegen, wie sie es formulieren sollte. »… auf Mamis Brief gemalt?«
»Ich war im Wohnzimmer und hatte eine Idee, und ich wollte nicht nach oben gehen und meinen Block holen, und Papa sagt immer, wir sollen nicht das Papier aus dem Druckerfach nehmen, wir sollen Schmierpapier nehmen, und das habe ich in seinem Abfalleimer gefunden, wo es überhaupt nicht hingehört, und ich dachte, ich kann darauf malen, und dann habe ich es zum Altpapier gelegt, weil es mir nicht gefallen hat, das Fahrrad sieht nicht richtig aus.«
Er sprudelte die Worte nur so heraus, als würde er mit einer Strafe rechnen. Aber anders als Iso versuchte Albie nicht, sie zu täuschen. Noch nicht.
»Das ist schon in Ordnung.« Sie überlegte, wie sie ihn fragen konnte, ob er den Brief gelesen hatte, ohne anzudeuten, er hätte ihn interessieren können. »Er hat bestimmt unwichtig ausgesehen. Lauter langweiliges Zeug.«
»Er war im Abfall«, erinnerte Albie sie. »Ich dachte, das ist ein Formalbrief.«
»Ein Formal… – ach, ein Formbrief. Ja, das stimmt. Hast du Hausaufgaben auf?«
»Nein«, antwortete Albie mit einem ehrlich enttäuschten Seufzer. Er hätte sich gern wie Iso in ihrer Middleschool mit Arbeit zuschütten lassen, stattdessen kam er mit wenigen leichten Aufgaben nach Hause. »Wir sollen Multiplizieren üben, und ich kann die Zwölferreihe schon.«
»Dann kannst du dir einen Film ansehen, wenn du willst.«
Albie überdachte das ungewöhnliche Angebot seiner Mutter. Eliza schränkte die Kinder nicht in ihrem Fernsehkonsum ein, aber sie schlug das Fernsehen normalerweise auch nicht als Zeitvertreib vor. »Ich glaube, ich spiele lieber mit Reba«, sagte er. Er ging in den weiten, langen Garten. Beinahe zu lang, dachte Eliza, obwohl der Garten für sie eigentlich das Beste am Haus war. An einigen Stellen am hinteren Zaun verlor sie Albie aus den Augen. Aber Reba war bei ihm, erinnerte sie sich, und die Hündin wurde mit jedem Tag selbstsicherer. Erst hatte sie Barbara LaFortuny angeknurrt, jetzt verbellte sie den Postboten auf seiner täglichen Runde. Eliza hatte Peter von diesem klischeehaften Verhalten erzählt und sich darüber gewundert.
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