Denn mit Morden spielt man nicht - Granger, A: Denn mit Morden spielt man nicht - Mixing with murder
du?«
»Entschuldige bitte, ich war übereifrig. Nun stell dir diesen Fall als eine Anzahl bunter Papierschnipsel vor, die in einem Rohr mit Spiegeln liegen.«
»Und?«, fragte Ganesh.
»Ich habe das Rohr geschüttelt, und jetzt habe ich ein völlig neues Muster.«
Ganesh sah auf seine Armbanduhr. »Erzähl mir alles im Zug.«
Wie sich herausstellte, erhielt ich im Zug keine Gelegenheit, mit Ganesh über die Details zu reden. Er war überfüllt, und obwohl wir nebeneinandersaßen, befanden sich unsere Plätze rechts und links vom Mittelgang, und das machte eine Unterhaltung nicht gerade einfach. Ich verspürte keine Lust, die Einzelheiten von Lisas Affäre über den Gang hinwegzurufen, während ständig andere Passagiere vorbeikamen. Nach einer Weile stellte ich fest, dass Ganesh eingenickt war. Er schien extra früh aufgestanden zu sein, um all seine Arbeiten in Onkel Haris Zeitungsladen zu erledigen, bevor er zu mir gekommen war. Ich wurde plötzlich von Gewissensbissen überfallen, weil ich ihn in diese Geschichte hineingezogen hatte. Doch dann sagte ich mir, dass es sein eigener Entschluss gewesen war, mich nach Oxford zu begleiten. Schließlich döste ich ebenfalls ein. Ich hatte die ganze Nacht nicht richtig geschlafen, eigentlich schon mehrere Nächte nicht, und früher oder später holt einen so etwas ein.
In Oxford hatte es im Lauf der Nacht offensichtlich ebenfalls geregnet. Das Pflaster war noch feucht, obwohl die frühe Sonne bereits heiß brannte und alles rasch trocknete. Ich trug eine Baumwolljacke, und ich hatte Lisas Pass in die Brusttasche geschoben und sie sicher zugeknöpft. Ich wollte ihn nicht verlieren. Doch ich hatte es nicht eilig, nach Summertown zu gelangen und sie aufzusuchen.
»Vielleicht«, sagte ich zu Ganesh, »vielleicht sollte ich zuerst Beryl besuchen und ihr erklären, warum ich gestern Abend nicht im Hotel gewesen bin. Sie denkt vielleicht, dass mir etwas zugestoßen ist, und hat Filigrew informiert, oder schlimmer noch, Mickey Allerton.«
Ganesh hatte sich auf dem großen Platz vor dem Bahnhof umgesehen und eine große Statue von einem Bullen, oder eher einem Ochsen, bestaunt. Taxis und Busse fuhren vor unserer Nase hin und her, und auch dies schien ihn zu faszinieren. Er kam nicht oft aus London heraus, und ich denke, er war überrascht, dass die Dinge irgendwo da draußen im Land ebenfalls funktionierten.
Er riss sich zusammen und konzentrierte sich auf mich. »Dieses Hotel garni«, sagte er. »Ist es in der Nähe der Stelle, wo du dich mit Lisa treffen wolltest und wo du Ivos Leiche gefunden hast?«
»Wir kommen daran vorbei, wenn wir zum Hotel gehen. Das heißt, wir kommen an Christ Church Meadow vorbei. Es ist ein kurzer Abstecher zum Fluss hinunter und der Stelle, wo … du weißt schon.«
Ich redete immer noch nicht gerne darüber, wie ich Ivo gefunden hatte. Irgendjemand hat mir einmal erzählt, dass das menschliche Gehirn dazu neigt, unangenehme Erlebnisse zu verdrängen. Auf diese Weise sind wir im Stande, mit ihnen fertig zu werden und unser Leben fortzusetzen. Es funktioniert nicht immer. Ich erinnere mich in sämtlichen Einzelheiten an Großmutter Varadys letzte Tage und daran, wie verwirrt ich war und dass ich nicht wusste, was ich tun sollte. Sie erkannte mich nicht mehr. Sie stieg mitten in der Nacht aus dem Bett und war überzeugt, dass es Morgen war und wir aufstehen mussten. Ich musste sie waschen, weil sie vergessen hatte, wie man einen Wasserhahn an- und abstellt. Bevor es so weit gewesen war, hätte ich gesagt, dass es unmöglich ist, dass man so etwas nicht vergessen kann. Doch sie hatte es vergessen. Sie hatte vor dem Waschbecken gestanden und vollkommen perplex auf die Wasserhähne gestarrt.
»Was muss ich jetzt machen, Eva?«, hatte sie gefragt, weil sie sich irgendwie in den Kopf gesetzt hatte, ich wäre meine Mutter.
Ich gab meine Bemühungen bald auf, ihr zu erklären, dass ich erstens nicht Eva war und zweitens wie die Wasserhähne funktionierten. Ich wusch sie einfach. Es war, als würde man sich um ein Baby kümmern. Manchmal saß sie da und weinte leise vor sich hin, weil sie Angst hatte und niedergeschlagen war, und ich konnte ihr nicht helfen.
Auf der anderen Seite hatte ich schnell verdrängt, als meine Mutter uns verlassen hatte. Ich war sieben Jahre alt gewesen. Sie war nicht mehr da, also suchte ich nicht mehr nach ihr und hörte auf, an sie zu denken. Erst viel später, im Teenager-Alter, kam ich zu dem Schluss, dass sie tot
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