Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
raschen Seitenblick auf Maura. Er wollte hören, was Warren und Nesbitt zu sagen hatten, ehe er irgendetwas preisgab.
Kath Warren wirkte verlegen. »Das stimmt, aber Bev hat sich nicht ausgetragen, und Shawna, das Mädchen, das letzte Nacht an der Pforte Dienst hatte, sagt, sie habe sie nicht hinausgehen sehen. Vielleicht müssen wir wirklich den Fernseher aus dem Personalzimmer entfernen.«
»Wieso haben Sie Mrs. Brown erst jetzt als vermisst gemeldet? Haben Sie sich denn keine Sorgen um sie gemacht?« Maura klang eher verwirrt als vorwurfsvoll, und Kincaid stellte fest, dass sie gewaltige Fortschritte gemacht hatte, was das geschickte Vorgehen bei Vernehmungen betraf.
»Es war nicht das erste Mal«, antwortete Kath Warren widerwillig. »Das letzte Mal ist es ihr gelungen, sich unbemerkt wieder ins Haus zu schleichen, und wir haben erst erfahren, was passiert ist, als die Kinder erzählten, dass sie in der Nacht aufgewacht seien und sie vermisst hätten. Wir geben den Bewohnerinnen zwar niemals den Zugangscode – sie müssen immer klingeln -, aber manchmal mogelt sich eine hinter einer anderen herein. Wir dachten, sie würde heute Morgen wieder auftauchen und versuchen, sich mit irgendwelchen Ausreden aus der Affäre zu ziehen, aber …« Sie sah auf die Uhr.
»Was passiert, wenn eine Bewohnerin öfter unerlaubt verschwindet?«, fragte Kincaid.
»Wir versuchen immer, den Frauen noch eine Chance zu geben, wenn wir erkennen können, dass sie sich ernsthaft bemühen, aber diesmal hat Bev es wirklich zu weit getrieben. So
etwas ist einfach ein schlechtes Beispiel für alle anderen. Ich fürchte, sie wird uns verlassen müssen.«
Kincaid bemerkte Mauras kurzen Blick, und diesmal nickte er.
»Das ist eine Entscheidung, die Ihnen erspart bleiben wird«, sagte Maura und beobachtete aufmerksam das Mienenspiel der beiden. »Mrs. Brown kommt nicht mehr zurück. Sie ist tot. Ihre Leiche wurde vor ein paar Stunden nicht weit von hier entdeckt.«
Die Stille, die daraufhin eintrat, schien sich zu dehnen, bis sie regelrecht vibrierte wie ein straff gespannter Draht. Kath Warren starrte sie an, die Hand vor den Mund geschlagen. Nesbitt ließ sich mit weit aufgerissenen Augen auf die Schreibtischkante sinken.
»Sind Sie sicher?«, hauchte Warren. »Sind Sie sicher, dass es Bev ist?«
»Es ist kein Zweifel möglich«, antwortete Kincaid. »Es tut mir Leid.«
»Oh verdammt! Die dumme kleine Gans.« Nesbitt hatte jetzt Tränen in den Augen. »Das ist alles nur meine Schuld.«
Alle starrten ihn verblüfft an.
»Sie ist eine Wiederholungstäterin, unsere Mouse.« Als Kincaid und Maura ihn immer noch verständnislos anschauten, versuchte Nesbitt, es ihnen zu erklären. »Sie kommt einfach nicht von ihrem Mann los. Er ist eigentlich gar kein schlechter Kerl – hat eine feste Stelle als Elektriker. Sie streiten sich nur, wenn sie wieder mal auf Droge ist, und dann versucht er immer, sie mit Gewalt zur Vernunft zu bringen. Dann kommt sie für ein paar Wochen zu uns, und irgendwann versöhnen sie sich wieder, und sie geht zu ihm zurück. Bis zum nächsten Mal.«
Kath Warren schüttelte den Kopf. »Aber Jason …«
»Ich hatte etwas geahnt. Ich hatte sie im Verdacht, sich wieder mit ihm zu treffen. Aber ich habe nichts gesagt, weil ich sie
nicht in Schwierigkeiten bringen wollte. Und jetzt … Er muss wohl …« Seine Mundwinkel verzogen sich zu einer gequälten Grimasse.
»Jason.« Kath Warren ging auf ihn zu und fasste ihn am Arm. »Es ist nicht deine Schuld. Du hättest das auch nicht verhindern können.«
»Wir werden Beverly Browns Mann bestimmt vernehmen«, warf Kincaid ein, »aber ich glaube, dass Sie hier vielleicht doch etwas voreilige Schlüsse ziehen.« Jetzt hatte er ihre Aufmerksamkeit, und er fand das Bild, das die beiden abgaben, irgendwie interessant – Kath Warren an Nesbitts Seite, die Hand beschützend auf seine Schulter gelegt. »Heute Morgen haben wir die Leiche aus dem abgebrannten Lagerhaus als Laura Novak identifiziert. Damit sind innerhalb von vier Tagen zwei Frauen gewaltsam zu Tode gekommen, die mit diesem Frauenhaus in Verbindung standen. Das kann in meinen Augen kein Zufall sein.«
Kath Warren schnappte nach Luft, als hätte sie einen Schlag in die Magengrube bekommen. »O Gott. Laura. Aber Laura … Laura hat Bev doch kaum gekannt. Warum sollte … O mein Gott«, wiederholte sie. »Ich kann nicht glauben, dass Laura tot ist. Ich dachte, sie müsste sich wohl irgendwohin abgesetzt haben, mit
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