Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
und Bryan dem Angriffstrupp zugeteilt, und ihr Leben hing davon ab, dass die Geräte richtig funktionierten – wie auch davon, dass sie sich aufeinander verlassen konnten. Simms, mit seinen dreiundzwanzig ein Jahr älter als Rose, war genauso solide und zuverlässig, wie es sein ehrliches, offenes Gesicht vermuten ließ, und neigte absolut nicht zur Panik.
Jetzt sah er zu ihr auf, als hätte er ihren Blick gespürt, und legte konzentriert die Stirn in Falten. »›Was ist ein Name?‹«, fragte er, wie um ein unterbrochenes Gespräch wieder aufzunehmen. »›Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.‹«
Im ersten Moment war Rose zu verblüfft, um etwas erwidern zu können. Nicht, dass sie es nicht gewohnt gewesen wäre, wegen ihres Namens oder wegen ihres hellen Teints und ihrer blonden Haare aufgezogen zu werden – aber das war das erste Mal, dass einer ihrer Kollegen bei der Feuerwehr sich bei Shakespeare bedient hatte.
Bryan, der ihr Schweigen als Ermutigung wertete, fuhr grinsend fort: »›Doch die gepflückte Ros’ ist irdischer beglückt, als die, am unberührten Dorne welkend, wächst, lebt und stirbt in heil’ger Einsamkeit...‹«<
»Schnauze, Simms«, unterbrach ihn Rose mit mühsam unterdrücktem Lachen. Sie war zugegebenermaßen beeindruckt, dass er sich die Mühe gemacht hatte, die Zeilen auswendig zu lernen. »Hätte nie gedacht, dass du auf Shakespeare stehst.«
»Das Zweite gefällt mir besonders. Ist aus dem Sommernachtstraum«, sagte Simms, und sie fragte sich, ob sie es sich nur eingebildet hatte oder ob sie tatsächlich einen Anf lug von Schamröte auf seiner dunklen Haut bemerkt hatte.
»Was du nicht sagst«, gab Rose lächelnd zurück. »Und auch noch Romeo und Julia. Hast ja ganz schön was auf dem Kasten.« Ihr Vater war Englischlehrer am Gymnasium gewesen und hatte sie schon mit Shakespeare-Zitaten traktiert, ehe sie sprechen gelernt hatte. »Aber halt lieber die Augen offen«, fügte sie mit einem Blick auf das Gerät hinzu, das unbeachtet vor ihm lag. »Wäre doch zu blöd, wenn du einen Riss in dem Schlauch da übersehen würdest.«
Sie hatte sechs Monate vor Bryan auf der Feuerwache Southwark angefangen, und sie ließ keine Gelegenheit aus, ihn daran zu erinnern, dass sie die Dienstältere war. Sie hatte es schon schwer genug als Frau in diesem Beruf, der immer noch weitgehend eine Männerdomäne war; da konnte sie keinen Kollegen gebrauchen, der irgendwelche romantischen Flausen über ihre Beziehung im Kopf hatte.
Rose war ehrgeizig, sie wollte es eines Tages vielleicht gar zur Brandoberinspektorin bringen, und sie hatte nicht die Absicht, sich mit einer Aff äre am Arbeitsplatz den Weg zu verbauen. Sie ging durchaus gerne mal aus und hatte auch nichts gegen einen kleinen Flirt, aber nicht mit jemandem aus ihrem eigenen Revier. Und der Job ließ einem nun einmal keine Zeit
für eine richtige Beziehung. Wenn man gut sein wollte, musste man mit dem Job aufstehen und zu Bett gehen, musste ihn essen, trinken, atmen. Sie wollte mehr erreichen, als nur ein Feuer löschen zu können; sie wollte das Wie und Warum begreifen, und in der Brandermittlung boten sich die besten Karrierechancen.
Es war inzwischen nach Mitternacht, und sie hatte vor, die verbleibende Zeit zum Lernen zu nutzen, solange alles ruhig blieb. Gerade hatte sie das Atemschutzgerät verstaut und ihre Bücher ausgepackt, als der Alarm zum zweiten Mal in dieser Nacht ertönte.
Rose verspürte den vertrauten Adrenalinstoß, und im nächsten Moment rannte sie mit Bryan und den übrigen Kameraden von der Nachtschicht zum Gerätehaus. Während sie sich an der Stange zu den Fahrzeugen hinunterließen, rief der Offizier vom Dienst über die Lautsprecheranlage: »Gespann!«, was bedeutete, dass sowohl die Drehleiter als auch das Tanklöschfahrzeug benötigt wurden. Wie von einem eigenen Willen beseelt, vollführten Roses Hände die vertrauten Bewegungen, als wäre es ein Ritual: das Zuknöpfen der Schutzjacke, das Schließen des Halsschutzes, das Zurückstreifen ihrer Haare, bevor sie den Helm aufsetzte und den Kinnriemen stramm zog; das Festschnallen des Gürtels, sodass das Gewicht der kleinen Axt auf ihrer Hüfte ruhte.
Der Zugführer, Charlie Wilcox, riss die Einsatzmeldung aus dem Fernschreiber. »Es ist gleich um die Ecke – ein Lagerhaus in der Southwark Street«, informierte er seine Leute. »Hört sich an, als wäre es schon ziemlich weit gediehen – da werden wir mehrere Löschzüge
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