Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House

Titel: Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Crombie
Vom Netzwerk:
Er hatte geweint, als er ihr von ihrer Mutter erzählt hatte, und er hatte ihre unverletzte Hand umklammert wie ein Ertrinkender, aber Harriet hatte kein Wort herausgebracht.
    Es schien ihr, als habe sie irgendwie gewusst, dass ihre Mutter nicht wiederkommen würde, als sie in dem dunklen Haus im Bett gelegen und nach ihr gerufen hatte. Jetzt fühlte sie sich nur wie betäubt, als ob das alles jemand anderem zugestoßen wäre oder ihr selbst vor sehr langer Zeit. Ihr Verstand weigerte sich, darüber hinauszudenken – sie konnte sich einfach nicht vorstellen, wie ihr Leben ohne ihre Mutter aussehen würde.
    Sie schlief wieder ein, und als sie aufwachte, hatte sie Besuch. Ihr Vater sprach mit den Neuankömmlingen, dann ging
er hinaus und ließ sie mit ihnen allein. Sie erkannte die Polizistin mit den hübschen roten Haaren, die sie gefunden hatte, und die Priesterin, die bei ihr gewesen war, mit ihrem freundlichen Gesicht und dem komischen Kragen.
    Bei ihnen war eine kleine asiatisch aussehende Frau in einem Rollstuhl. Als die anderen Harriet begrüßt hatten, schob die Frau ihren Rollstuhl an Harriets Bett und nahm ihre Hand. Ihr schmales Gesicht war von Schmerz gezeichnet, als ob sie eine Krankheit überstanden hätte, aber es strahlte auch eine seltsame Gelassenheit aus, die Harriet beruhigend fand.
    »Es tut mir sehr Leid wegen deiner Mutter, Harriet«, sagte die Frau, und ihre zarte Stimme bebte dabei. »Und es tut mir so Leid, was dir passiert ist.«
    Harriet verstand nicht, wer sie war oder warum es ihr so wichtig war, doch sie nickte, als ob sie es wüsste.
    Die Frau schien erleichtert und lächelte. Sie nahm einen in Seidenpapier eingeschlagenen Gegenstand aus der Tasche. »Das ist für dich – nicht für hier, natürlich, weil du sie hier nicht anzünden darfst – aber für später, wenn du wieder zu Hause bist.«
    Harriet konnte das Geschenk mit einer Hand nicht auspacken, und so half ihr die Frau, das Seidenpapier zu entfernen. Zum Vorschein kam eine Kerze in einem quadratischen Behälter aus blassgrünem Glas. Sie duftete süßlich, und der Geruch erinnerte Harriet an irgendetwas Angenehmes, es fiel ihr nur nicht ein, was. »Danke«, sagte sie, und die Frau schien sich zu freuen.
    »Jetzt sollten wir dich ein bisschen ausruhen lassen«, sagte die Priesterin, und gerade als sie zur Tür gingen, kam ihr Vater wieder herein.
    »Haben Sie … Haben Sie irgendetwas von ihr gehört?«, fragte er die Polizistin mit gedämpfter Stimme.
    »Nein, bis jetzt noch nichts«, antwortete sie.
    »Und …« Ihr Vater trat nervös von einem Bein aufs andere
und rieb sich das Kinn. »Werde ich … Wird es … zu einer Anklage kommen?«
    »Nein«, sagte die Polizistin wieder. »Nein, das glaube ich kaum. Sie haben schließlich nur Ihre Tochter von der Schule abgeholt.«
    Als die anderen gegangen waren, wollte Harriet ihren Vater eigentlich fragen, was er gemeint hatte, aber dann nickte sie wieder ein.
    Am zweiten Tag bekam sie noch einmal Besuch. Ihr Vater war gerade nach unten in die Cafeteria gegangen, um sich einen Kaffee zu holen, als Mrs. Bletchley den Kopf zur Tür hereinsteckte und sich misstrauisch umblickte. Sie trug ihr bestes Kleid – Harriet erkannte es gleich – und hellroten Lippenstift, der ihren Mund wie eine klaffende Wunde aussehen ließ.
    Sie begrüßte Harriet mit einem knappen Nicken und blieb dann verlegen am Fuß des Betts stehen. »Wollte dir nur mein Beileid aussprechen wegen deiner Mutter«, platzte sie schließlich heraus. »War’ne gute Frau, deine Mutter. Das solltest du nicht vergessen. Sie hat auch an die Leute gedacht, die weniger Glück im Leben hatten als sie.« Mrs. Bletchley nickte noch einmal, als sei sie zufrieden mit ihrer kleinen Ansprache, dann sah sie Harriet an und runzelte die Stirn. »Wirst jetzt wohl nicht mehr zu mir zum Schlafen kommen, oder?«
    »Nein«, antwortete Harriet vorsichtig, »ich glaube nicht.«
    »Na, dann wär das ja geklärt.« Mrs. Bletchley wandte sich zum Gehen, doch an der Tür blieb sie stehen. »Könntest ja vielleicht mal nach der Schule reinschauen«, sagte sie, ohne Harriet anzusehen, aber mit einem ganz sonderbaren Ausdruck in den Augen.
    Harriet gab sich alle Mühe, ihre Verblüffung zu verbergen. »Ich … Ja, okay, klar, kann ich machen«, sagte sie. Mrs. Bletchley zog ein komisches Gesicht, dann nickte sie noch einmal und ging hinaus, während Harriet darüber nachgrübelte, was das alles zu bedeuten hatte. Als ihr Vater zurückkam,

Weitere Kostenlose Bücher