Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
Schlag zerbrach sie die Scheibe oberhalb der Mittelsprosse und drückte dann das Glas heraus. In der Nachbarschaft rührte sich nichts – die ganze Straße schien unheimlich leer und ausgestorben.
Jetzt konnte Gemma den Riegel sehen. Sie streckte die Hand durch das Loch und legte ihn um, dann versuchte sie, das Fenster mit aller Kraft hochzustemmen, bis ihr die Arme wehtaten. Doch es bewegte sich keinen Millimeter. »Okay, das können wir vergessen. Diese Fenster sind schon sehr lange nicht mehr geöffnet worden.«
»Dann müssen wir wohl warten«, sagte Winnie. »Obwohl ich mir gar nicht vorstellen mag …«
»Nein, wir warten nicht.« Gemma wischte sich die verschwitzten Handflächen an ihrer guten Kostümjacke ab, dann klappte sie ihr Handy auf und drückte die Kurzwahltaste für die 999 – den Feuerwehrnotruf.
Als die Zentrale sich meldete, gab sie ihren Namen und Dienstgrad sowie den Standort durch. »Aus dem Haus kommt Rauch«, sagte sie, »und wir glauben, dass in einem Zimmer ein Kind eingeschlossen ist. Auf mein Klopfen reagiert niemand.« Sie nahm an, dass die Panik in ihrer Stimme echt genug klang.
Winnie starrte sie mit offenem Mund an, als sie aufgelegt hatte, dann blickte sie besorgt zum Haus. »Aber Gemma, ich kann gar keinen …«
»Wenn sie kommen, sagst du ihnen, dass du gesehen hast, wie von der Rückseite des Hauses Rauch aufgestiegen ist.« Gemma konnte bereits den Doppelton der Sirene hören, und sie lief schnell zum Wagen, um ihn ein paar Meter vorzufahren.
Als sie zu Winnie zurückkam, sagte sie: »Ich werde schon genug Schwierigkeiten kriegen, da muss ich nicht auch noch die Feuerwehrzufahrt versperren.« Doch ihr Lächeln verriet ihre Euphorie über die gelungene Aktion.
Kurz darauf kam der Drehleiterwagen mit heulender Sirene um die Ecke geschossen und bremste mit quietschenden Reifen. Als die Mannschaft heraussprang, zeigte Gemma ihren Dienstausweis vor und wiederholte ihre Erklärung der Situation. Einer der Feuerwehrmänner hämmerte an die Tür und rüttelte an der Klinke, jedoch mit ebenso wenig Erfolg wie zuvor Gemma.
»Ein Feuer, Ma’am? Sind Sie sicher?«, fragte der Zugführer. Er hatte inzwischen Zeit gehabt, sich mit eigenen Augen ein Bild von der Lage zu machen, und hatte keinen Rauch entdecken können.
»Doch.« Gemma zeigte auf das Dach. »Ich habe ganz genau gesehen, dass von der Rückseite des Hauses Rauch aufgestiegen ist.«
»Also gut, Ma’am. Auf Ihre Verantwortung.« Er studierte den Plan, den ihm der Fahrer gebracht hatte, und fügte hinzu: »Von hinten kommt man nicht ran. Das Haus ist die reinste Festung.« Er winkte seinen Leuten. »Okay, Jungs. Dann mal rein ins Vergnügen.«
Einer der Feuerwehrmänner ging mit einer schweren Axt auf die Haustür los, und innerhalb weniger Minuten war von dem massiven Hindernis nur noch Kleinholz übrig. Der Angriffstrupp stürmte hinein, Gemma und Winnie hinterher. Ohne auf die lauten Warnrufe des Zugführers zu achten, lief Gemma von Zimmer zu Zimmer – nirgendwo eine Spur von Elaine Holland oder Harriet oder auch nur irgendein Anzeichen dafür, dass in letzter Zeit jemand hier gewohnt hatte.
»Ich dachte, Sie hätten gesagt, es hat gebrannt«, sagte einer der Feuerwehrmänner, der gerade aus der Küche kam. »Aber feuergefährdet ist die alte Bruchbude schon, das muss man zugeben.«
»Oben. Es war in einem der oberen Stockwerke, im hinteren Teil. Die Rauchwolken sind über das Dach gezogen.«
»Also gut.« Er winkte seinem Kollegen. »Schauen wir mal
nach.« Sie stiegen die Treppe hinauf, und Gemma versuchte, sich unsichtbar zu machen, als sie mit Winnie im Schlepptau hinterherlief.
Die Zimmer im ersten Stock waren leer, und Gemma hatte das Gefühl, dass eine Ausdünstung wie von Alter und Krankheit in der Luft hing, die der muffige Staubgeruch kaum überdecken konnte. Gegen ihren Willen empfand sie plötzlich Mitleid mit dem Kind, das in diesem Haus groß geworden war, doch das Mitleid fachte nur aufs Neue ihren Zorn auf die Frau an, zu dem dieses Kind herangewachsen war.
»Sie ist weg«, murmelte Winnie. »Elaine Holland ist weg, nicht wahr?«
Gemma spürte, dass sie Recht hatte – sie hatte nie das Gefühl gehabt, dass irgendjemand sie beobachtete -, und Verzweiflung erfasste sie. Hatte Elaine Holland Harriet mitgenommen?
Doch da führte noch eine weitere schmale Treppe hinauf ins Dachgeschoss. Gemma warf Winnie einen aufmunternden Blick über die Schulter zu, ehe sie hinter dem Feuerwehrmann
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