Denn nie bist du allein - Crombie, D: Denn nie bist du allein - In a Dark House
wir irgendwelche Anhaltspunkte? Zeugen? Vermisste Personen mit einer Verbindung zum Tatort?« Mit einem behandschuhten Finger betastete sie vorsichtig die Leiche.
»Bis jetzt nichts«, erwiderte Kincaid. Er sah Farrell an, wie um dessen Bestätigung einzuholen.
»Und nichts, was sie identifizieren könnte?«
»Nichts Offensichtliches.« Farrell hockte sich mit dem aufgeschlagenen Notizbuch in der Hand neben sie. »Es sei denn, wir finden irgendetwas unter der Leiche. Wir werden natürlich jeden Quadratzentimeter absuchen, sobald Sie hier fertig sind.«
»Merkwürdig.« Eine kleine Falte grub sich in die Mitte von Kates Stirn. »Ich habe schon Fälle gehabt, bei denen die Kleidung des Opfers buchstäblich mit der Haut verschweißt war, aber der Zustand dieser Leiche lässt nicht auf eine derart extreme Hitze schließen. Und ich kann auch keinerlei Schmuck entdecken.« Sie hob die Überreste der linken Hand der Toten an, und Kincaid glaubte einen unterdrückten Protestlaut von einem der Umstehenden zu vernehmen. »Normalerweise bleibt nach einem Feuer zumindest ein Rest des Eherings zurück, auch wenn die Finger völlig verbrannt sind.«
»Irgendwelche Vermutungen, was das Alter des Opfers betrifft?«, fragte Kincaid.
»Schwer zu sagen, ohne Röntgenaufnahmen und genaue Messungen. Sie scheint eher zierlich gebaut zu sein, aber die große Hitze kann auch eine Schrumpfung zur Folge haben.«
»Hautfarbe?«
»Die wird uns die Laboranalyse verraten, und bis dahin möchte ich lieber keine Spekulationen anstellen.«
»Wenn es sich um eine Obdachlose handelt, würde es das Fehlen von Schmuck erklären«, warf Cullen ein. »Sie könnte hier Schutz vor dem Regen gesucht haben, dann hat sie sich vielleicht ein kleines Feuer gemacht, um sich zu wärmen, ohne sich darüber im Klaren zu sein, wie leicht entzündlich die Möbel sind.«
»Wann hat man je einen Obdachlosen ohne einen großen Müllsack oder einen Einkaufswagen mit Habseligkeiten gesehen?«, tat Inspector Bell seine Vermutung ab. »Und eine nackte Person, die durch die Straßen irrt, wäre doch wohl irgendwem aufgefallen, oder?«
»Haben Sie einen besseren Vorschlag?«, erwiderte Cullen gereizt.
»Sind irgendwelche Totenflecke zu erkennen?«, fragte Kincaid, um einen heftigeren Wortwechsel abzuwenden. Er fragte sich, ob Bell im Umgang mit ihren eigenen Leuten auch so einen scharfen Ton an den Tag legte – das war jedenfalls nicht die Methode, mit der man das Vertrauen seiner Untergebenen gewinnen konnte.
Kate hob den Rumpf der Leiche an einer Seite vorsichtig an. Es fiel sofort auf, dass die Dielen darunter viel weniger geschwärzt waren als anderswo, doch der Rücken der Leiche kam Kincaid ebenfalls sehr dunkel vor. »Ja, durchaus möglich, dass das Blutergüsse sind, aber um sicherzugehen, muss ich das Gewebe aufschneiden. Und da ist noch etwas«, fügte Kate hinzu, indem sie den Rumpf wieder herunterließ und ihre Fingerspitzen unter den Kopf der Leiche schob. »Das fühlt sich wie eine ziemlich schwere Schädelfraktur an, aber es lässt sich unmöglich sagen, ob sie post mortem oder ante mortem entstanden ist. Das kann ich erst im Labor feststellen. Allein die Hitze kann schon die Schädeldecke aufplatzen lassen.«
Selbst wenn die Pathologin nach der Autopsie bestätigen könnte, dass das Opfer die Schädelverletzung vor dem Tod erlitten hatte, wäre damit ein Unfall noch nicht ausgeschlossen. Das war auch Kincaid klar, doch sein Instinkt sagte ihm, dass sie es hier nicht mit einem tödlichen Unglücksfall zu tun hatten.
Und damit sank auch die Wahrscheinlichkeit, dass er das Wochenende mit Gemma und den Jungs verbringen könnte, gegen null. Für den Samstagmorgen hatten sie, falls das Wetter mitspielen sollte, einen Besuch des Portobello Market geplant. Sie suchten dort etwas ganz Bestimmtes.
Nach ihrem Umzug in das Haus in Notting Hill hatte Kit zunächst ein Schlafzimmer mit dem fünfjährigen Toby geteilt, doch nun hatte er gefragt, ob er das dritte Schlafzimmer haben könne, das ursprünglich als Babyzimmer vorgesehen war. Als
Kincaid zu einem Einwand angesetzt hatte, war er von Gemma unterbrochen worden. »Das ist kein Problem, Kit«, hatte sie gesagt. »Wir richten es für dich her.«
»Gemma, bist du sicher …«, hatte Kincaid angesetzt, doch Gemma hatte ihn mit einem energischen Kopfschütteln zum Schweigen gebracht. »Nein, es ist schon in Ordnung. Kit braucht seinen eigenen Bereich.«
Das war allerdings richtig, wie Kincaid zugeben
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