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Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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eine Engelsgeduld, was das betraf. Er war ihr Vertrauter und ihr Beschützer.
    Und war es im Grunde nicht genau das, was er zum Ausdruck bringen wollte, als er einräumte, durch das Fenster ihres Hauses auf Cape Cod geschaut zu haben? War es nicht das, was er zu erklären versuchte, als Emily Wallace ihm so heftig zusetzte, weil er am nächsten Tag noch ein paarmal an dem Haus vorbeigefahren war? Wie hatte er sich genau ausgedrückt? »Ich habe mir Sorgen um ihren seelischen Zustand gemacht.«
    So wie ich Natalie kannte, klingt das für mich einleuchtend, dachte Mike.
    Die Staatsanwältin hatte Gregg ziemlich verunsichert und aus der Fassung gebracht. Das hatte er am Wochenende in Vermont zugegeben. Es war nicht so sehr die Tatsache, dass Emily Wallace Natalie so ähnlich sah. Natürlich gab es so etwas wie eine äußere Ähnlichkeit, überlegte Mike, das war ihm auch aufgefallen.
    Beide waren sie absolut hinreißend aussehende Frauen. Sie hatten beide schöne Augen und ebenmäßige Gesichtszüge. Doch Natalie hatte grüne Augen gehabt, während die von Emily Wallace dunkelblau waren. Beide waren schlank, doch Emily Wallace war mindestens zehn Zentimeter größer als Natalie.
    Auf der anderen Seite hatte Natalie eine so anmutige Haltung besessen und ihren Kopf immer so aufrecht gehalten, dass sie immer etwas größer gewirkt hatte, als sie in Wirklichkeit gewesen war.
    Wallace’ aufrechte Haltung verlieh ihr eine unbestreitbare Autorität. Und in der Art, wie sie ihre Blicke einsetzte,
lag etwas absolut Bezwingendes. Diese Seitenblicke zu den Geschworenen, als ob sie sicher wäre, dass diese ihren Spott über Greggs zögernde Antworten teilten, das war großes Theater.
    Aber niemand konnte Seitenblicke so kunstvoll einsetzen wie Natalie …
    Es fing wieder an zu nieseln, und Michael beschleunigte seine Schritte. So viel zum neuen Wettermann bei unserem Sender, dachte er. Der, den wir vorher hatten, hat bessere Voraussagen gemacht. Oder er konnte besser raten, fügte er grinsend hinzu.
    Noch eine weitere Ähnlichkeit zwischen Natalie und Emily Wallace fiel ihm ein: die Art, wie sie gingen. Wallace bewegte sich zwischen der Geschworenenbank und dem Zeugenstand hin und her wie eine Schauspielerin auf der Bühne.
    Als er nur noch einen halben Häuserblock von Greggs Wohnung entfernt war, wurde der Regen stärker. Michael begann zu rennen.
    Der Portier sah ihn kommen und hielt ihm die Tür auf. »Guten Abend, Mr Gordon.«
    »Guten Abend, Alberto.«
    »Mr Gordon, ich glaube nicht, dass ich Mr Aldrich heute noch sehe. Und ich werde morgen früh nicht im Dienst sein, wenn er zum Gericht fährt. Bitte richten Sie ihm meine allerbesten Wünsche aus. Er ist ein feiner Mann. Ich arbeite hier schon seit zwanzig Jahren. Ich war schon hier, bevor er eingezogen ist. In meinem Job lernt man die Leute kennen, wie sie wirklich sind. Es ist eine einzige Schande, wenn so ein elender Schuft wie Jimmy Easton den Geschworenen wirklich weismachen will, dass Mr Aldrich ihn in dieses Gebäude mitgenommen hat.«

    »Ich bin der gleichen Meinung wie Sie, Alberto. Wir werden die Daumen drücken.«
    Als Michael durch die geschmackvoll eingerichtete Eingangshalle ging und in den Aufzug stieg, schickte er ein Stoßgebet zum Himmel, dass wenigstens einer der Geschworenen genauso dachte wie Alberto.
    Gregg wartete an der Tür, als der Aufzug im vierzehnten Stock hielt. Er blickte auf Mikes durchnässten Regenmantel. »Verdient ihr bei eurem Sender nicht genug für ein Taxi?«, fragte er und versuchte dabei zu lächeln.
    »Ich habe mich auf die Voraussage unseres Wettermanns verlassen und bin zu Fuß gegangen. Ein schwerer Fehler.« Michael knöpfte seinen Mantel auf und streifte ihn ab. »Ich werde ihn über die Badewanne hängen«, schlug er vor. »Ich möchte nicht, dass es auf den Boden tropft.«
    »Gute Idee. Katie und ich sind im Fernsehzimmer. Ich wollte mir gerade meinen zweiten Scotch eingießen.«
    »Wenn du schon dabei bist, könntest du mir meinen ersten einschenken.«
    »Mach ich.«
    Als Mike ein paar Augenblicke später das Zimmer betrat, saß Gregg in seinem Clubsessel. Katie saß mit verweinten Augen vor ihm auf dem Fußpolster. Sie erhob sich und lief zu Mike. »Mike, Daddy sagt, er glaubt, dass er schuldiggesprochen wird.«
    »Langsam, langsam«, sagte Gregg und erhob sich ebenfalls. »Mike, dein Glas steht hier.« Er deutete auf einen Tisch neben dem Sofa. »Komm wieder zu mir, Katie.«
    Sie gehorchte und zwängte sich diesmal

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