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Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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warm genug angezogen. Mein Freund war so von dem Spiel gefesselt, dass er gar nicht bemerkte, dass meine Lippen schon ganz blau waren. Mark hat seine Jacke ausgezogen und mir gesagt, ich solle sie anziehen. Als ich mich weigern wollte, sagte er nur: »Weißt du, ich bin aus North Dakota. Für mich sind die Temperaturen heute angenehm warm.«
    Erst später habe ich erfahren, dass er den größten Teil seiner Jugend in Kalifornien verbracht hat. Sein Vater, Absolvent der West-Point-Akademie, war Berufssoldat gewesen. Wie sein Vater hatte Mark ein Ingenieurstudium absolviert, und nach seinem Abschluss war er Reservist geworden. Marks Eltern lebten mittlerweile in Arizona und hielten regelmäßigen Kontakt zu ihr.
    Wir waren drei Jahre verheiratet, und er ist vor drei Jahren gestorben, dachte Emily, als sie die Treppe hinunterging,
um Bess hinauszulassen und den Kaffeeautomaten einzuschalten. Ist das ein Teil des Problems, dass ich mich immer nach dem wunderbaren Gefühl gesehnt habe, mich auf den Abend freuen zu können und mit jemandem zusammen zu sein, der mich liebt und den ich liebe? Ja, genauso ist es, musste sie sich eingestehen.
    Sonntag. In letzter Zeit bin ich nicht viel in der Kirche gewesen, dachte Emily. Nach ihrer Hochzeit waren sie in eine Wohnung in Fort Lee gezogen. Mark hatte in ihrer Kirche das Amt des Vorsingers übernommen. Er hatte eine wunderschöne Stimme. Das ist einer der Gründe, weshalb ich so selten in die Kirche gegangen bin, dachte sie. Als wir noch zusammen hingegangen sind, stand er immer dort oben am Altar.
    Zum Altare Gottes will ich treten. Zu Gott, der mich erfreut von Jugend auf .
    Sie spürte, dass ihr wieder die Tränen kamen.
    Nein, ermahnte sie sich, Schluss damit!
    Etwas mehr als eine Stunde später war sie in der Halbelf-Uhr-Messe in der St. Catherine’s Church. Die Vorsingerin war hier eine junge Frau, was es für sie etwas leichter machte. Die Gebete und Antworten, die ihr seit Kindertagen geläufig waren, kamen ihr wie von selbst über die Lippen.
    Lasset uns danken dem Herrn, unserm Gott. Das ist würdig und recht …
    Denn Dein ist die Kraft und die Herrlichkeit …
    Während der Messe betete sie nicht nur für Mark, sondern auch zu ihm: Ich bin so froh, dass wir diese Zeit miteinander verbringen durften, wir waren beide gesegnet.
    Auf dem Rückweg fuhr sie zum Supermarkt und erledigte einen Großeinkauf. Gladys, ihre wöchentliche
Putzhilfe, hatte ihr eine lange Liste hinterlassen und eine dringende Bitte hinzugefügt: »Emily, es fehlt praktisch an allem.«
    Heute werde ich noch etwas anderes erledigen, was ich seit langer Zeit vor mir herschiebe, beschloss Emily, als sie an der Kasse zahlte und einen Angestellten um ein paar Kartons bat. Ich werde Marks Kleider zusammenpacken und weggeben. Es ist nicht richtig, sie irgendwo zu horten, wenn sie für einen anderen Menschen ein Geschenk des Himmels sein könnten.
    Als sie aus Fort Lee in das Haus in Glen Rock umgezogen war, hatte sie es einfach nicht über sich bringen können, sich von irgendetwas zu trennen, was Mark gehört hatte. Sie hatte seine Kommode in dem kleinen Gästezimmer aufstellen lassen und seine Anzüge und Mäntel in den dortigen Wandschrank gehängt. Sie musste daran denken, wie oft sie in jenem ersten Jahr ihr Gesicht in eines seiner Sakkos vergraben hatte, um noch einen Rest seines Rasierwasserdufts, der sich vielleicht noch im Stoff erhalten hatte, zu erschnuppern.
    Zu Hause angekommen, schlüpfte sie in Jeans und Pullover und trug die Kartons ins Gästezimmer. Während sie die Mäntel und Anzüge zusammenlegte, versuchte sie, nicht allzu viel an die Gelegenheiten zu denken, bei denen Mark sie getragen hatte.
    Als der Schrank und die Schubladen der Kommode leer waren, fiel ihr noch etwas ein, was sie auch nicht mehr länger aufheben sollte. Sie ging in ihr Schlafzimmer, öffnete die unterste Schublade und entnahm ihr die rüschenbesetzten Nachthemden, die sie als Hochzeitsgeschenk bekommen hatte. Sie legte sie obenauf in den letzten Karton, dann schloss sie, erleichtert, den Anblick der gepackten
Kleider nicht mehr ertragen zu müssen, die Tür des Gästezimmers hinter sich und ging nach unten.
    Bess geriet vor Freude außer Rand und Band, als Emily die Leine vom Haken in der Veranda nahm. Bevor sie hinausgingen, schaute Emily noch schnell nach, ob Zach nicht in seinem Garten arbeitete, doch es war nichts von ihm zu sehen. Trotzdem überquerte sie sofort die Straße. Ein paar Schritte weiter kam

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