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Denn niemand hört dein Rufen

Denn niemand hört dein Rufen

Titel: Denn niemand hört dein Rufen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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sie am Haus von Madeline Kirk vorbei, der zurückgezogen lebenden alten Dame, die sie bisher nur zu Gesicht bekommen hatte, wenn sie ihren Briefkasten leerte oder wenn sie ihren Weg fegte. Sie muss sehr einsam sein, dachte Emily. Ich habe noch nie ein Auto in ihrer Auffahrt stehen sehen oder sonst ein Anzeichen für Besuch.
    Nun ja, für die zwei Jahre, die ich jetzt hier wohne, könnte man fast dasselbe von mir sagen, fügte sie in Gedanken hinzu.
    »Es wird endlich Zeit, dass sich daran etwas ändert«, sagte sie zu Bess, während sie ihren Weg die Straße hinunter fortsetzten. »Ich möchte nicht wie diese arme Frau enden.«
    Am Ende waren sie fast eine Stunde unterwegs. Emily spürte, dass ihr etwas leichter zumute war. Was macht es schon, wenn die Leute wissen, dass ich eine Transplantation hinter mir habe, sagte sie sich. Ich muss mich ja nicht deswegen schämen. Und nachdem es jetzt schon zweieinhalb Jahre her ist, glaube ich nicht, dass mich noch jemand so ansehen wird, als ob ich im nächsten Augenblick tot umfallen könnte.
    Und was Alice Mills’ Ausspruch betrifft, dass ich im Grunde meines Herzens von Gregg Aldrichs Unschuld überzeugt sei: Ich glaube, das Problem liegt darin, dass er
so sympathisch auf mich wirkt und seine Tochter mir so leidtut. Ich werde noch einmal einen Blick in die Akten werfen und sie dann wegräumen. Es gibt absolut keine Begründung für eine Berufung.
    Als sie am Abend den zweiten ausgeliehenen Film im Wohnzimmer anschaute und dabei Lammkoteletts mit Salat auf einem Tablett aß, musste sie daran denken, dass ihr irgendetwas aufgefallen war, als sie die Nachthemden aus der Schublade genommen hatte, um sie zu den anderen Sachen zu legen. Nur was es war, wollte ihr beim besten Willen nicht einfallen.

55
    V on seinem vorderen Fenster aus hatte Zach am Sonntagnachmittag beobachtet, wie Emily mit Bess die Straße überquert hatte. Er vermutete richtig, dass sie nicht an seinem Haus vorbeigegangen war, weil sie ihm nicht begegnen wollte. Warte nur, dachte er voller Groll, du kommst auch noch dran.
    Die Befriedigung, die ihn erfüllt hatte, als er Madeline Kirk die Kehle zugedrückt hatte, war der unruhigen Gewissheit gewichen, dass ihm die Zeit davonlief. Sie hatte ihn wiedererkannt. Möglicherweise deshalb, weil ihr die Sache mit den gelben Chrysanthemen in der Fernsehsendung aufgefallen war. Doch auch ohne etwas von den Blumen zu wissen, könnte jemand in der Arbeit oder aus der Nachbarschaft aufgrund des einen Computerbilds, das ihm ähnlich sah, auf ihn gekommen sein.
    Die andere Sache war die, dass in den nächsten ein oder zwei Tagen jemandem auffallen musste, dass Kirks Zeitung noch vor der Haustür lag oder dass ihr Briefkasten nicht geleert worden war. Er hatte schon daran gedacht, ein bisschen Zeit zu gewinnen, indem er ihre Zeitung und ihre Post wegnahm, sobald es dunkel war, doch dann hatte er das für zu riskant erachtet. Jemand könnte ihn dabei beobachten.
    Es konnten ja auch irgendwelche Verwandten, die schon lange darauf warteten, dass Kirk endlich sterben und ihnen
ihr Haus vererben würde, unruhig werden, wenn sie nicht ans Telefon ging. Selbst wenn sie am anderen Ende des Landes lebten, konnten sie immer noch die Polizei verständigen und sie bitten, nach dem Rechten zu sehen. Und sobald die Bullen anfingen herumzuschnüffeln, würden sie das ausgeschnittene Fliegenfenster und die abgeblätterten Farbpartikel auf dem Boden entdecken. Es gab einfach keine Möglichkeit, es so aussehen zu lassen, als sei sie einfach nur verreist.
    Als sie ihren Geist aufgegeben hatte, hatte er ihre Leiche in große Plastiksäcke für Gartenabfälle gewickelt und das Ganze mit Paketschnur verschnürt. Er hatte sie in die Küche geschleift und ihren Wagenschlüssel von einem Teller auf der Arbeitsfläche genommen. Dann hatte er sie in die angrenzende Garage geschleppt und sie im Kofferraum ihres Wagens verschwinden lassen. Danach hatte er das Haus durchsucht und erstaunlich guten Schmuck und achthundert Dollar in Scheinen gefunden, versteckt in ihrem Kühlschrank. Bei der Vorstellung, wie sie ihre Diamanten und ihr Geld in Alufolie verpackt hatte, musste er schmunzeln.
    Danach war er, nachdem er sich sorgfältig vergewissert hatte, dass niemand draußen zu Fuß unterwegs war und kein Auto kam, hastig über die Straße gelaufen und in seinem Haus verschwunden. Bevor er schlafen gegangen war, hatte er noch seine Kleider zusammengesucht, sein Radio und seinen Fernseher und hatte alles in

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