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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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diesem Fall war ich diejenige.
Detective Longo hatte keine Zeit verloren, nachdem ich
ihm Andreas Geheimnis verraten hatte. Ich hatte ihm zwei
Spuren, zwei mögliche Verdächtige geliefert: Rob
Westerfield, der seine überwältigende Ausstrahlung als
heißblütiger, reicher Playboy eingesetzt hatte, um Andrea
den Kopf zu verdrehen, und Paul Stroebel, der scheue,
zurückgezogene Junge, der sich in das bildhübsche
Orchestermitglied verliebt hatte, das ihm bei seinen
spielentscheidenden Leistungen auf dem Footballfeld
begeistert zugejubelt hatte.
Die Heimmannschaft anfeuern – niemand konnte das
besser als Andrea!
Während sich die Experten über die Ergebnisse der
Autopsie beugten und die Vorbereitungen für Andreas
Beerdigung im Gate-of-Heaven-Friedhof liefen, hatte
Detective Longo sowohl Rob Westerfield als auch Paul
Stroebel verhört. Beide hatten behauptet, Andrea am
Donnerstagabend nicht gesehen zu haben und auch keine
Absicht gehabt zu haben, sich mit ihr zu treffen.
Paul hatte in der Tankstelle gearbeitet, und obwohl diese
um sieben Uhr schloss, war er noch länger in der
Werkstatt geblieben, um ein paar kleinere Reparaturen zu
erledigen. Rob Westerfield hatte geschworen, das örtliche
Kino aufgesucht zu haben, und er hatte sogar eine
entwertete Eintrittskarte vorweisen können.
Ich erinnere mich, dass ich an Andreas Grab stand, eine
einzelne langstielige Rose in der Hand, und dass man mir,
nachdem die Gebete gesprochen waren, bedeutete, ich
solle sie auf Andreas Sarg legen. Ich erinnere mich auch,
dass ich mich innerlich wie tot fühlte, so tot und reglos,
wie Andrea gewesen war, als ich mich im Versteck über
sie gebeugt hatte.
Ich wollte ihr sagen, wie Leid es mir tat, dass ich das
Geheimnis über ihre Treffen mit Rob am Ende doch noch
verraten hatte, und aus derselben Verzweiflung heraus
wollte ich ihr sagen, wie Leid es mir tat, dass ich nicht
sofort alles mitgeteilt hatte, was ich wusste, als sie abends
nicht nach Hause gekommen war. Aber natürlich sagte ich
gar nichts. Ich legte die Rose auf den Sarg, sie rutschte
jedoch ab, und bevor ich sie aufheben konnte, schritt
meine Großmutter an mir vorbei, um ihre Blume auf den
Sarg zu legen, und ihr Schuh trat meine Rose in den
schlammigen Boden.
Wenig später verließen wir den Friedhof, und aus der
Reihe von feierlichen Gesichtern, an denen ich vorbeiging,
fing ich zornige Blicke auf, die auf mich gerichtet waren.
Die Westerfields waren ferngeblieben, aber die Stroebels
waren erschienen, sie hatten Paulie fest in die Mitte
genommen, sodass ihre Schultern sich berührten. Ich
erinnere mich, dass ich einen stillen Vorwurf spürte, der
mir aus der Menge entgegenschlug, mich überwältigte und
fast erstickte. Es war ein Gefühl, das mich nie mehr ganz
losgelassen hat.
Ich hatte versucht, meine Eltern davon zu überzeugen,
dass ich jemanden atmen gehört hatte, als ich neben
Andreas Leiche kniete, aber sie waren skeptisch
geblieben, weil ich so panisch und verängstigt gewesen
war. Als ich aus dem Wald gerannt kam, war mein Atem
so schwer und rasselnd gegangen wie bei den Anfällen
von Pseudokrupp, unter denen ich als Kind zuweilen litt.
Doch über all die Jahre hinweg wurde ich immer wieder
von demselben Albtraum aus dem Schlaf geschreckt: Ich
knie vor Andreas Leiche, gleite auf ihrem Blut aus und
höre das schwere, raubtierhafte Atmen und dieses hohe
Gekicher.
Aus jenem Angstinstinkt heraus, der die Menschheit vor
dem Aussterben bewahrt hat, weiß ich, dass Rob
Westerfield eine Bestie in seinem Innern beherbergt und
dass er, falls man ihn freilässt, irgendwann erneut
zuschlagen wird.

8
    ALS ICH TRÄNEN aufkommen spürte, wandte ich mich
vom Fenster ab, hob meinen Rucksack auf und stellte ihn
auf das Bett. Ich musste beinahe lächeln, als ich meine
Sachen auspackte und mir dabei durch den Kopf ging,
dass ich Pete Lawlor, wenn auch nur im Geiste, wegen
seiner nachlässigen Art, sich zu kleiden, getadelt hatte. Ich
trug Jeans und einen Rollkragenpulli. Eingepackt hatte
ich, abgesehen von Nachthemd und Unterwäsche, nur
einen langen wollenen Rock und zwei weitere Pullis.
Meine Lieblingsschuhe sind Clogs, allem schon wegen
meiner eins fünfundsiebzig Körperlänge. Meine Haare
haben ihre sandähnliche Farbe behalten. Ich lasse sie lang
wachsen und trage sie entweder hochgesteckt oder binde
sie zum Pferdeschwanz.
    Andrea war hübsch und feminin, sie war meiner Mutter
sehr ähnlich. Ich

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