Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
Straße, doch mittlerweile standen vier
neue Häuser zwischen dem ihrigen und dem Haus, das wir
in diesen wenigen Jahren bewohnt hatten. Die neuen
Besitzer hatten den Traum meiner Mutter in die Tat
umgesetzt. Auf beiden Seiten sowie an der Rückseite war
das Haus erweitert worden. Es war schon zuvor ein
geräumiges Farmhaus gewesen, aber nun war aus ihm ein
wirklich bezauberndes Anwesen geworden, großzügig,
aber nicht protzig, mit glänzend weißen Schindeln und
dunkelgrünen Fensterläden.
    Ich verlangsamte die Fahrt, als ich mich näherte, und
weil ich an diesem ruhigen Sonntagmorgen nicht damit
rechnete, dass jemand auf mich aufmerksam würde, hielt
ich an.
    Die Bäume waren natürlich ein ganzes Stück gewachsen.
In diesem Jahr war der Herbst im Nordosten warm
gewesen, und obwohl es inzwischen recht frostig
geworden war, waren die Zweige noch voller golden und
purpurn leuchtender Blätter.
    Das Wohnzimmer war offenbar vergrößert worden. Und
das Esszimmer? Für einen Moment sah ich mich mit dem
Silberbesteck in den Händen dort stehen, während Andrea
sorgfältig die Gedecke arrangierte. »Heute werden wir
Lord Malcolm Bigbottom zu Gast haben.«
    Mrs. Hilmer hatte nach mir Ausschau gehalten. Ich war
noch nicht aus dem Auto gestiegen, als sich die Haustür
öffnete. Einen Augenblick später spürte ich schon ihre
feste Umarmung. Sie war eher klein und von einer
gemütlichen Rundlichkeit, mit einem mütterlichen Gesicht
und lebhaften braunen Augen. Ihr ehemals mittelbraunes
Haar war jetzt durchgehend silbergrau, und Falten hatten
sich um Mund und Augen eingegraben. Aber im Großen
und Ganzen war sie genau so, wie ich sie in Erinnerung
behalten hatte. Jahrelang hatte sie Mutter eine dicht
beschriebene Weihnachtskarte geschickt, und Mutter, die
keine Karten versandte, hatte ihr zurückgeschrieben, dass
unser letzter Umzug ein Erfolg gewesen sei und dass ich
gute Fortschritte in der Schule machte.
    Als Mutter starb, hatte ich ihr das brieflich mitgeteilt und
von ihr einen warmherzigen und tröstenden Antwortbrief
erhalten. Bei meinem Umzug nach Atlanta hatte ich ihr
dann allerdings keine Karte geschickt, sodass ihre
Urlaubsgrüße oder Briefe vermutlich wieder an sie
zurückgeschickt wurden. Die Post wird einem heutzutage
nur noch für kurze Zeit nachgesandt.
    »Meine Güte, sind Sie groß, Ellie«, sagte sie mit einem
Mittelding zwischen Lächeln und Lachen. »Sie waren
damals so ein niedliches kleines Mädchen.«
    »Irgendwann zwischen den ersten und den letzten Jahren
an der Highschool ist es passiert«, gab ich zur Antwort.
Der Kaffee dampfte auf dem Herd, und es gab
Blaubeermuffins frisch aus dem Backofen. Auf meine
Bitte blieben wir in der Küche und setzten uns auf die
Bank. Zunächst berichtete sie von ihrer Familie. Ihren
Sohn und ihre Tochter hatte ich kaum gekannt. Beide
waren schon verheiratet, als wir nach Oldham zogen.
»Acht Enkel«, sagte sie stolz.
»Leider wohnen sie alle nicht in der Nähe, aber ich sehe
sie trotzdem ziemlich oft.« Ich wusste, dass sie schon seit
vielen Jahren verwitwet war. »Meine Kinder sagen, dies
Haus sei zu groß für mich, aber es ist mein Zuhause, und
ich fühle mich hier wohl. Wenn ich nicht mehr allein
zurechtkomme, werde ich es wahrscheinlich verkaufen,
aber jetzt noch nicht.«
Ich erzählte ihr kurz von meiner Arbeit als Reporterin,
und dann begannen wir über den Grund meiner Rückkehr
nach Oldham zu sprechen. »Ellie, seit dem Tag, an dem
Rob in Handschellen aus dem Gerichtssaal abgeführt
wurde, haben die Westerfields unablässig auf seiner
Unschuld bestanden und dafür gekämpft, dass er
freigelassen wird. Und sie haben in dieser Zeit eine ganze
Menge Leute überzeugt.« Ihr Blick wurde etwas
bekümmert. »Und ich muss zugeben, Ellie, dass ich mich
inzwischen langsam selbst frage, ob Rob Westerfield nicht
teilweise nur wegen seines schlechten Rufs verurteilt
worden ist. Jeder hielt ihn für einen üblen Kerl und war
nur allzu schnell bereit zu glauben, dass er zum
Schlimmsten fähig ist.«
Sie hatte die Pressekonferenz verfolgt. »In der Aussage
von Will Nebels fand ich eine Sache glaubwürdig«, sagte
sie, »nämlich, dass er in das Haus der alten
Mrs. Westerfield gegangen ist, um nach Geld zu suchen.
Ob er an genau jenem Abend dort war? Möglich ist es.
Auf der einen Seite frage ich mich, wie viel sie ihm
gegeben haben, damit er diese Geschichte erzählt, auf der
anderen Seite denke ich

Weitere Kostenlose Bücher