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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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auch an Paulies Reaktion in der
Klasse, als ihnen gesagt wurde, dass Andrea tot ist. Ich
habe die Lehrerin beim Prozess beobachtet, als sie im
Zeugenstand war. Man sah ihr an, wie sehr es ihr
widerstrebte und wie sehr sie Paulie schützen wollte, aber
dann musste sie doch einräumen, dass Paulie ihrer
Meinung nach gesagt hatte, als er aus der Klasse rannte:
›Ich hab nicht geglaubt, dass sie tot ist.‹«
»Wie geht es Paulie Stroebel inzwischen?«, fragte ich.
»Eigentlich sehr gut. Nach dem Prozess hat er sich zehn
oder zwölf Jahre lang völlig zurückgezogen. Er wusste,
dass einige Leute davon überzeugt waren, dass er der
Mörder von Andrea wäre, und das hat ihn fast
kaputtgemacht. Er hat angefangen, mit seinen Eltern im
Geschäft zu arbeiten, und nach allem, was ich
mitbekommen habe, ist er kaum unter die Leute gegangen.
Aber seit sein Vater gestorben ist und er mehr und mehr
Verantwortung übernehmen musste, ist er richtig aufge
blüht. Ich hoffe, dass die Geschichte mit Will Nebels ihn
nicht wieder zurückwirft.«
»Falls Rob Westerfield einen neuen Prozess bekommt
und man ihn freispricht, wird das gleichzeitig wie ein
Schuldspruch für Paulie sein«, sagte ich.
»Wird er dann verhaftet und vor Gericht gestellt?«
»Ich bin kein Anwalt, aber ich glaube, nein. Vielleicht
wird die Aussage von Will Nebels ausreichen, um Rob
Westerfield einen neuen Prozess und einen Freispruch zu
besorgen, doch man wird ihn kaum für glaubwürdig genug
halten, um Paulie Stroebel zu verurteilen. Der Schaden
wird dennoch da sein, und Paulie würde zu einem weiteren
Opfer von Westerfield werden.«
»Vielleicht – vielleicht auch nicht. Das macht es so
schwer.« Mrs. Hilmer zögerte, dann fuhr sie fort: »Ellie,
dieser Mensch, der ein Buch über den Fall schreibt, hat
mich aufgesucht. Irgendjemand hat ihm erzählt, ich sei mit
Ihrer Familie gut bekannt gewesen.«
Ich spürte eine Warnung in ihren Worten. »Was ist das
für ein Typ?«
»Höflich. Stellte eine Menge Fragen. Ich hab mir genau
überlegen müssen, was ich ihm darauf antworte. Aber
eines sage ich Ihnen: Dieser Bern hat eine vorgefertigte
Meinung und wird dafür sorgen, dass die Fakten da
hineinpassen. Er hat mich gefragt, ob Ihr Vater deswegen
so streng zu Andrea gewesen ist, weil sie sich öfters von
zu Hause fortstahl, um sich mit einer Reihe verschiedener
Jungs zu treffen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Er wird es so aussehen lassen, als ob es wahr sei.«
»Sie war wirklich in Rob Westerfield verliebt, aber am
Schluss hatte sie auch Angst vor ihm.« Meine Worte
waren spontan gefallen, so deutlich war mir der Gedanke
vorher noch nicht gekommen, aber jetzt war ich mir
dessen sicher.
»Und ich hatte Angst um sie«, flüsterte ich. »Er war so
wütend auf sie wegen Paulie.«
»Ellie, ich war in Ihrem Haus. Ich war dabei, als Sie vor
Gericht ausgesagt haben. Nie haben Sie gesagt, dass Sie
oder Andrea Angst vor Rob Westerfield gehabt haben.«
Wollte sie damit unterstellen, dass ich mir eine
unaufrichtige Erinnerung zurechtgelegt hatte, um meine
Zeugenaussage als Kind zu rechtfertigen? Aber dann fuhr
sie fort: »Ellie, Sie müssen vorsichtig sein. Dieser
Schriftsteller hat mir gegenüber angedeutet, Sie seien ein
emotional labiles Kind gewesen. Das ist etwas, was er
Ihnen in seinem Buch unterschieben wird.«
Also darauf lief es hinaus, dachte ich: Andrea war eine
Schlampe, ich war emotional labil, und Paulie Stroebel
war ein Killer. Wenn ich mir nicht schon vorher über
meine Absichten im Klaren gewesen wäre, dann hätte ich
spätestens jetzt meine Aufgabe deutlich erkannt.
»Möglicherweise wird Rob Westerfield aus dem
Gefängnis entlassen, Mrs. Hilmer«, sagte ich mit fester
Stimme, »aber ich werde jedes schmutzige Detail seines
verkommenen Lebens herausfinden und veröffentlichen,
und dann wird es keinen mehr geben, der freiwillig nur
das Geringste mit ihm zu tun haben will. Und selbst wenn
er einen zweiten Prozess bekommt, wird es keine
Geschworenen geben, die ihn freisprechen werden.«

14
    AM MONTAGMORGEN UM ZEHN UHR hatte ich
meinen Termin in Albany bei Martin Brand, der zu den
Mitarbeitern der Bewährungskommission gehörte. Er war
ein müde aussehender Mann um die sechzig, mit
Tränensäcken unter den Augen und einem üppig
wuchernden grauen Haarschopf, der dringend einmal
wieder der Bearbeitung durch einen Friseur bedurft hätte.
Er hatte den obersten Kragenknopf seines Hemdes
geöffnet und den

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