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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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keine
    Gefahr für Mr. Nebels, vor Gericht gestellt zu werden. Er
hat sich zu der Sache geäußert, um ein bestehendes
Unrecht auszuräumen. Er hatte, als er die Szene beob
achtete, weder Kenntnis davon, dass Andrea Cavanaugh in
der Garage war, noch wusste er zu jenem Zeitpunkt, was
mit ihr geschehen war. Bedauerlicherweise ist er in Panik
geraten, als ihm aufgegangen ist, dass eine Aussage ihn
direkt mit dem Tatort eines Mordes in Verbindung bringen
würde. Deshalb hat er geschwiegen.«
    »Ist Ihnen für diese Aussage Geld angeboten worden,
Mr. Nebels?«, fragte ein anderer Journalist.
Genau, was ich auch gefragt hätte, dachte ich.
Wieder übernahm Hamilton: »Klares Nein.«
Wird Mr. Nebels noch einmal selbst zu Wort kommen?,
fragte ich mich.
»Hat Mr. Nebels eine Aussage gegenüber dem
Staatsanwalt gemacht?«
»Noch nicht. Wir wollten die unvoreingenommene
Öffentlichkeit zuerst auf seine Aussagen aufmerksam
machen, bevor der Staatsanwalt sie womöglich in
gefärbter Art und Weise wiedergibt. Der Punkt ist der – es
ist schrecklich, das sagen zu müssen, aber Tatsache ist:
Wenn Andrea Cavanaugh sexuell missbraucht worden
wäre, dann wäre Rob Westerfield schon vor langer Zeit
aufgrund eines DNS-Beweises freigesprochen worden.
Man könnte sagen, dass es gerade seine Besorgnis war, die
ihn in die Falle hat laufen lassen. Andrea hatte ihn
angefleht, zu ihr in das Versteck zu kommen. Am Telefon
hatte sie ihm gesagt, dass sie sich nur mit Paul Stroebel
verabredet hätte, weil sie glaubte, er sei die letzte Person,
auf die ein junger Mann wie Rob Westerfield eifersüchtig
sein würde.
Tatsache ist, dass Andrea Cavanaugh hinter Rob Wester
field her war. Sie hat ihn häufig angerufen. Ihm war es
gleichgültig, mit wem sie sich verabredete. Sie flirtete
gern, sie war verrückt nach Jungen, ein Mädchen mit
vielen Bekanntschaften.«
Ich zuckte bei dieser Anspielung zusammen.
»Robs einziger Fehler war, dass er in Panik geraten ist,
als er Andreas Leiche fand. Er fuhr nach Hause, ohne zu
wissen, dass er die Mordwaffe in seinem Wagen
transportierte und dass Andreas Blut bereits den
Kofferraum befleckt hatte. Er hat in dieser Nacht seine
Hosen, sein Hemd und seine Jacke in der Waschmaschine
gereinigt, weil er Angst hatte.«
Nicht so viel Angst, um nicht die gesamte Farbe aus
ihnen herauszubleichen bei seinem Bemühen, die
Blutflecken verschwinden zu lassen, dachte ich.
Im Fernsehen war jetzt der CNN-Moderator zu sehen.
»Zugeschaltet ist uns jetzt in seinem Haus in Oldhamon-the-Hudson Marcus Longo, Detective im Ruhestand,
der mit uns das Interview verfolgt hat. Mr. Longo, was
halten Sie von Mr. Nebels’ Aussage?«
»Ich halte sie für frei erfunden. Robson Westerfield
wurde wegen Mordes verurteilt, weil er schuldig ist. Ich
habe ein gewisses Verständnis für das Leid seiner Familie,
aber der Versuch, die Schuld einem unschuldigen, dazu
noch emotional labilen Menschen zuzuschieben, ist
wirklich unter aller Kritik.«
Bravo, dachte ich. Die Szene mit Detective Longo vor
vielen Jahren stand mir wieder vor Augen, als er mit mir
im Esszimmer saß und mir versicherte, dass es in Ordnung
sei, Andreas Geheimnisse preiszugeben. Longo war jetzt
um die sechzig, in seinem langen Gesicht stachen die
dichten dunklen Augenbrauen und die römische Nase
hervor. Die verbliebenen grau melierten Haare bildeten
einen Kranz um seinen Schädel. Aber er besaß eine
angeborene Würde, die seinen kaum verhüllten Abscheu
vor dem gerade erlebten Lügentheater noch stärker wirken
ließ.
Er lebte immer noch in Oldham. Ich beschloss,
irgendwann mit ihm Kontakt aufzunehmen.
Die Pressekonferenz war vorüber, und die Leute
verließen nach und nach den Raum. Der Empfangschef,
ein eifrig wirkender junger Mann, der so aussah, als ob er
gerade frisch vom College käme, näherte sich mir. »Ist
alles in Ordnung mit Ihrem Zimmer, Miss Cavanaugh?«
Die Bedienung ging gerade an dem Sofa vorbei, auf dem
ich saß. Sie wandte sich um und fasste mich scharf ins
Auge, und es war deutlich zu sehen, dass sie mich gerne
gefragt hätte, ob ich mit dem Mädchen, das im Fall
Westerfield ermordet wurde, verwandt sei.
Es war der erste Hinweis darauf, dass ich die
Anonymität, nach der ich mich gesehnt hatte, über kurz
oder lang würde aufgeben müssen, wenn ich in Oldham
blieb.
Was soll’s, dachte ich. Ich muss es tun, koste es, was es
wolle.

13
    MRS. HILMER LEBTE immer noch in demselben Haus
an unserer alten

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