Denn vergeben wird dir nie
hat. Dasselbe gilt häufig auch für die Zeugen
der Verteidigung.
»Ich fühle mich schuldig«, begann Nebels mit heiserer
Stimme. Mir fiel auf, wie dünn und bleich er war, und ich
fragte mich, ob er nicht krank sei. Ich hatte nur eine vage
Erinnerung an ihn. Er hatte ein paar Mal Arbeiten in
unserem Haus erledigt, aber damals war er ziemlich
korpulent gewesen.
»Ich habe so lange Zeit mit dieser Geschichte gelebt,
und als dieser Autor mit mir über den Fall zu reden anfing,
habe ich gespürt, dass ich die Sache endlich loswerden
muss.«
Darauf erzählte er dieselbe Geschichte, die von den
Agenturen verbreitet worden war. Er habe gesehen, wie
Paul Stroebel mit Rob Westerfields Auto die Auffahrt
hinaufgefahren und dann mit einem schweren Gegenstand
in der Hand in der Garage verschwunden sei. Natürlich
sollte damit unterstellt werden, dass es sich um den
Wagenheber handelte, mit dem Andrea erschlagen wurde
und der im Kofferraum von Rob Westerfields Auto
gefunden wurde.
Anschließend wurde das Wort an Vincent Westerfield
übergeben. »Zweiundzwanzig Jahre lang war mein Sohn
in einer Gefängniszelle eingesperrt, umgeben von Schwer
verbrechern. Stets hat er seine Unschuld an diesem
schrecklichen Verbrechen beteuert. Er ist an diesem
Abend im Kino gewesen. Er hat den Wagen auf dem
Gelände der Tankstelle neben dem Kino abgestellt, wo
alle Autos der Familie regelmäßig gewartet werden und
wo der Autoschlüssel problemlos nachgemacht werden
konnte. Sein Wagen war in den vorausgegangenen
Monaten mindestens dreimal wegen kleinerer Schäden in
der Werkstatt gewesen.
Paul Stroebel hat an diesem Abend dort gearbeitet. Die
Tankstelle machte um sieben Uhr zu, aber er war noch in
der Werkstatt, um Reparaturarbeiten an einem Auto zu
Ende zu führen. Rob hat Paul angesprochen und ihm
gesagt, er würde sein Auto auf dem Gelände stehen lassen,
während er im Kino sei. Wie Ihnen bekannt sein dürfte,
hat Paul diesem Ablauf der Ereignisse immer
widersprochen, doch nun haben wir den Beweis, dass er
gelogen hat. Während mein Sohn im Kino saß, hat
Stroebel sein Auto genommen, ist zu diesem ›Versteck‹,
wie sie es nannten, gefahren und hat das Mädchen
umgebracht.«
Er richtete sich auf, seine Stimme wurde tiefer und
lauter. »Mein Sohn hat ein Gesuch um Haftentlassung auf
Bewährung eingereicht. Nach unserem jetzigen Kenntnis
stand wird er freigelassen werden. Aber das ist nicht
genug. Mit dem jetzt bekannt gewordenen Beweismaterial
werden wir einen neuen Prozess beantragen, und wir sind
davon überzeugt, dass Rob dieses Mal freigesprochen
werden wird. Wir können nur hoffen, dass dem wahren
Mörder, Paul Stroebel, der Prozess gemacht wird und dass
er für den Rest seines Lebens hinter Gitter kommt.«
Um die Pressekonferenz im Fernsehen zu sehen, hatte
ich mich in den kleinen Aufenthaltsraum im Erdgeschoss
des Gasthauses gesetzt. Ich war so wütend, dass ich am
liebsten irgendetwas auf den Bildschirm geschleudert
hätte. Rob Westerfield konnte beim jetzigen Stand der
Dinge nur gewinnen. Selbst wenn er erneut schuldig
gesprochen würde, müsste er nicht zurück ins Gefängnis.
Er hatte seine Strafe bereits abgesessen. Und falls er
freigesprochen werden sollte, dann würde die Staats
anwaltschaft niemals aufgrund der Aussage eines so
unglaubwürdigen Zeugen wie Will Nebels einen Prozess
gegen Paul Stroebel anstrengen. Dennoch würde er vor
aller Welt als der wahre Mörder dastehen.
Wahrscheinlich hatten auch andere von der Presse
konferenz gehört, denn sobald ich das Gerät eingeschaltet
hatte, begannen die Leute in den Raum zu strömen. Als
Erster gab der Empfangschef einen Kommentar ab:
»Paulie Stroebel. Also wirklich, dieser arme Kerl könnte
nicht mal einer Fliege etwas zuleide tun.«
»Eine Menge Leute trauen ihm aber zu, noch mehr getan
zu haben, als bloß eine Fliege zu erschlagen«, sagte eine
von den Bedienungen, die ich im Speisesaal gesehen hatte.
»Ich war zwar noch nicht hier, als es passierte, aber ich
habe eine ganze Menge darüber gehört. Es ist erstaunlich,
wie viele Leute glauben, dass Rob Westerfield unschuldig
ist.«
Die Pressevertreter auf der Konferenz hatten ange
fangen, Will Nebels mit Fragen zu bedrängen. »Ist Ihnen
klar, dass Sie wegen Einbruchs und Meineids verurteilt
werden könnten?«, hörte ich einen Reporter fragen.
»Lassen Sie mich das beantworten«, sagte Hamilton.
»Die Verjährungsfrist ist abgelaufen. Es besteht
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