Denn vergeben wird dir nie
Schriftsteller. Er hat
bereits einen Artikel über den Fall verfasst, der nächsten
Monat in Vanity Fair veröffentlicht wird.«
Pete nahm sich noch ein Stück warmes Brot. »Was
können Sie dagegen tun?«
»Ich werde ein Buch schreiben, das im Frühjahr
herauskommen wird, in derselben Woche wie das von
Bern.« Ich erzählte ihm von meinem Gespräch mit Maggie
Reynolds. Pete hatte sie auf der Buchpremiere kennen
gelernt, die sie für mich in Atlanta auf die Beine gestellt
hatte. »Maggie will es herausbringen, und zwar im
Schnellverfahren. Aber in der Zwischenzeit muss ich auf
Berns Artikel und die Presseerklärungen der Westerfield
Familie reagieren.«
Pete wartete. Auch das war typisch: Er beeilte sich nicht,
sein Einverständnis zu signalisieren. Und er bemühte sich
nicht, tote Punkte in einem Gespräch zu überwinden.
»Pete, mir ist vollkommen klar, dass eine Serie von
Artikeln über ein Verbrechen, das vor zweiundzwanzig
Jahren in Westchester County, New York, verübt worden
ist, bei der Leserschaft in Georgia auf kein besonders
großes Interesse stoßen wird. Georgia ist wohl überhaupt
nicht der geeignete Ort, um diese Artikel zu veröffent
lichen. Die Westerfields werden mit New York identi
fiziert.«
»Das sehe ich auch so. Was schlagen Sie also vor?«
»Unbezahlten Urlaub nehmen, falls das möglich ist.
Oder, falls nicht, kündigen, das Buch schreiben und dann
hinterher wieder neu anfangen.«
Der Kellner kam an unseren Tisch. Wir bestellten beide
Cannelloni und grünen Salat. Pete überlegte eine ganze
Weile hin und her, um sich schließlich für Gorgonzola
dressing zu entscheiden.
»Ellie, ich werde die Stelle für Sie offen halten, solange
es in meiner Macht steht, das zu tun.«
»Was soll das denn heißen?«
»Möglicherweise bin ich selber nicht mehr lange hier.
Ich habe eine Reihe interessanter Angebote bekommen,
die ich in Erwägung ziehe.«
Ich war schockiert. »Aber die News sind doch Ihr Ein
und Alles.«
»Wir werden allmählich zu groß für die Konkurrenz. Es
gibt ernst zu nehmende Gerüchte, dass wir für eine große
Summe verkauft werden sollen. Die Familie ist daran
interessiert. Dieser Generation ist die Zeitung völlig
schnurz, die denken nur an die Gewinne.«
»Wohin wollen Sie gehen?«
»Wahrscheinlich wird mir die L. A. Times ein Angebot
machen. Die andere Möglichkeit wäre Houston.«
»Und wohin würden Sie lieber gehen?«
»Bis ein konkretes Angebot auf dem Tisch liegt,
verschwende ich meine Zeit nicht mit Überlegungen, die
vielleicht zu nichts führen.«
Pete wartete nicht auf meine Antwort, sondern fuhr fort:
»Ellie, ich habe mich selber ein bisschen über Ihren Fall
kundig gemacht. Die Westerfields haben anscheinend, was
die Verteidigungsstrategie betrifft, noch einiges dazuge
lernt. Sie haben eine beeindruckende Riege von Anwälten
aufgeboten, die nur darauf wartet, das große Geld mit dem
Fall zu machen. Sie haben sich diesen Nebels geholt, und
der mag noch so schmierig wirken, manche Leute werden
seine Geschichte trotzdem glauben. Tun Sie, was Sie nicht
lassen können, aber falls Westerfield seinen Prozess
bekommt und freigesprochen wird, dann tun Sie sich bitte
selbst einen großen Gefallen und lassen Sie die ganze
Sache sausen.«
Er sah mir direkt in die Augen. »Ellie, ich sehe Ihnen an,
dass Sie denken, nie und nimmer. Aber bedenken Sie doch
bitte Folgendes: Egal, wie viele Bücher Sie oder Bern
schreiben, manche Leute werden dennoch bis an ihr
Lebensende glauben, dass Westerfield zu Unrecht verur
teilt worden ist, während andere immer von seiner Schuld
überzeugt bleiben werden.«
Petes Rat war gut gemeint, aber als ich am späten Abend
meine Sachen für einen längeren Aufenthalt in Oldham
packte, ging mir durch den Kopf, dass er wohl auch der
Meinung war, dass Rob Westerfield, ob schuldig oder
nicht, seine Zeit abgesessen hätte, dass die Leute sowieso
über das Für und Wider denken würden, was sie wollten,
und dass es an der Zeit für mich sei, die Sache fallen zu
lassen.
Gegen gerechten Zorn hat niemand etwas einzuwenden,
dachte ich. Es sei denn, man trägt ihn zu lange mit sich
herum.
Ich fuhr nach Oldham zurück. Eine Woche später war
die Verhandlung über Rob Westerfields Gesuch um
Haftentlassung. Wie erwartet, wurde dem Gesuch stattge
geben und seine Freilassung für den einunddreißigsten
Oktober angekündigt.
Halloween, dachte ich. Wie passend. Die Nacht, in der
die Dämonen auf Erden
Weitere Kostenlose Bücher