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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Erinnerung, öfter mit
meiner Mutter dort gewesen zu sein. Auch in späterer Zeit
hatte sie manchmal von Cold Springs gesprochen.
»Weißt du noch, wie wir an Samstagen die Main Street
hinuntergefahren sind und all die Antikläden abgeklappert
haben? Ich wollte euch Mädchen dazu bringen, ein Auge
für die schönen Dinge zu entwickeln. War das falsch von
mir?«
Das Schwelgen in den Erinnerungen begann normaler
weise beim zweiten oder dritten Scotch. Mit ungefähr
zehn Jahren fing ich an, heimlich Wasser in die Flasche
nachzufüllen, in der Hoffnung, es würde ihr Trinken
bremsen. Es hat wohl nie wirklich geholfen.
Longo hatte einen Tisch bei Cathryn’s reserviert, einem
kleinen Lokal im Toskana-Stil an einem Hof abseits der
Main Street. Wir setzten uns an einen Ecktisch und
nahmen einander genauer in Augenschein. Merkwürdiger
weise wirkte er jetzt, wo er leibhaftig vor mir saß, älter als
im Fernsehen. Um Augen und Mund waren tiefe Falten,
und obwohl er breite Schultern hatte, erschien er physisch
nicht besonders stark. Ich fragte mich, ob er krank
gewesen war.
»Ich weiß nicht, warum, aber ich habe mir vorgestellt,
Sie wären um die eins sechzig groß«, sagte er. »Sie waren
damals wohl eher klein für Ihr Alter.«
»Auf der Highschool bin ich ein ganzes Stück nachge
wachsen.«
»Sie sehen Ihrem Vater ähnlich, wissen Sie das? Haben
Sie ihn schon besucht?«
Die Frage überraschte mich. »Nein. Und ich habe auch
nicht die Absicht, es zu tun.« Ich wollte zuerst nicht
fragen, aber meine Neugier gewann die Oberhand. »Sehen
Sie ihn manchmal, Mr. Longo?«
»Bitte nennen Sie mich Marcus. Ich habe ihn seit Jahren
nicht gesehen, aber sein Sohn, Ihr Halbbruder, ist ein toller
Allround-Sportler. In den Lokalblättern wird eine ganze
Menge über ihn geschrieben. Ihr Vater ist vor acht Jahren
mit neunundfünfzig in Rente gegangen. Es gab ein paar
sehr wohlwollende Berichte über ihn in der hiesigen
Presse. Seine Laufbahn als Polizist ist beeindruckend.«
»Bestimmt wurde auch Andreas Tod erwähnt?«
»Ja, und es war auch eine Reihe von Bildern dabei,
sowohl neueren als auch älteren Datums. Deshalb fiel mir
auf, wie ähnlich Sie ihm heute sind.«
Ich gab keine Antwort, und Longos Augenbrauen hoben
sich. »Das sollte eigentlich ein Kompliment sein. Wie
auch immer, meine Mutter pflegte in solchen Fällen zu
sagen: ›Sie sind auf schöne Art erwachsen geworden.‹«
Er wechselte abrupt das Thema. »Ellie, ich habe Ihr
Buch gelesen, und es hat mir sehr gut gefallen. Sie haben
darin den heillosen Schmerz, den die Angehörigen der
Opfer erleiden, so packend beschrieben, wie ich es noch
nirgendwo gelesen habe. Mir ist natürlich klar, woher das
kommt.«
»Ja.«
»Ellie, warum sind Sie hier?«
»Ich bin hergekommen, weil ich Protest gegen die
Haftentlassung von Rob Westerfield einlegen musste.«
»Obwohl Ihnen klar gewesen sein muss, dass Sie ihre
Vielflieger-Meilen verschwenden«, sagte er ruhig.
»Mir war klar, dass es keinen Sinn hat.«
»Haben Sie das dringende Bedürfnis, ein einsamer Rufer
in der Wüste zu sein?«
»Es geht hier nicht darum, unserem Herrgott den Weg zu
bereiten. Meine Botschaft lautet: ›Seht euch vor! Ihr lasst
einen Mörder frei.‹«
»Trotzdem ist es eine Stimme in der Wüste. Morgen
werden sich die Tore für Rob Westerfield öffnen, und er
wird aus dem Gefängnis freikommen. Hören Sie mir
genau zu, Ellie. Es gibt nicht den leisesten Zweifel daran,
dass er einen neuen Prozess bekommen wird. Die Aussage
von Nebels wird wahrscheinlich ausreichen, dass die
Geschworenen Westerfield freisprechen. Sein Strafregister
wird gelöscht werden, und die Westerfields werden in
Zukunft glücklich und zufrieden weiterleben.«
»Das darf nicht geschehen.«
»Ellie, eines müssen Sie begreifen: Die Westerfields
werden alles daransetzen, dass es geschieht. Robson Parke
Westerfield ist der jüngste Spross einer hochangesehenen
und respektierten Familie. Lassen Sie sich nicht durch das
öffentliche Auftreten seines Vaters täuschen. Hinter seiner
philanthropischen Fassade ist Vincent Westerfield, Robs
Vater, ein gieriger Geldhai, aber er setzt alles daran, Ehre
und Ansehen seines Sohnes wiederherzustellen. Und die
alte Mrs. Westerfield verlangt es kategorisch.«
»Was heißt das?«
»Das heißt, dass sie mit ihren zweiundneunzig Jahren
immer noch sehr hell im Kopf ist und die Verfügungs
gewalt über das Vermögen der Familie besitzt. Falls Robs
Name nicht

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