Denn vergeben wird dir nie
das
Kissen zurechtrückte. Mein gesamter Wahrnehmungs
apparat schien auf höchste Bereitschaft eingestellt zu sein,
wahrscheinlich immer noch eine Folge meiner heutigen
Begegnung mit Westerfield.
Petes Schwester Jan wohnte nicht weit von Atlanta in
einer kleinen Stadt namens Peachtree. Pete hatte mich
schon ein paar Mal am Sonntag angerufen und
vorgeschlagen:
»Wie war’s mit einem kleinen Besuch bei Jan, Bill und
den Kindern?« Sie besaßen einen deutschen Schäferhund
namens Rocky, der ein ausgezeichneter Wachhund war.
Sobald wir aus dem Auto gestiegen waren, hatte er jedes
Mal die Familie mit wütendem Bellen von unserer
Ankunft unterrichtet.
Ich würde etwas darum geben, wenn ich dich heute in
meiner Nähe hätte, Rocky, alter Junge, dachte ich.
Endlich gelang es mir doch, in einen unruhigen Schlaf
zu sinken, die Art von Schlaf, bei der man am liebsten
sofort wieder aufwachen möchte. Ich träumte, ich müsse
unbedingt an einen bestimmten Ort gehen. Ich musste
jemanden finden, bevor es zu spät sei. Es war finster, und
meine Taschenlampe funktionierte nicht.
Dann war ich im Wald, es roch nach einem Lagerfeuer.
Ich musste einen Weg durch das Dickicht finden. Ich war
mir sicher, dass es ihn gab, weil ich ihn schon einmal
gegangen war.
Es war unerträglich heiß, und ich begann zu husten.
Es war kein Traum! Ich schlug die Augen auf. Das
Zimmer war vollkommen finster, und überall war Rauch.
Ich musste husten. Ich schob die Decke zurück und setzte
mich auf. Ich spürte, wie die Hitze um mich herum immer
stärker wurde. Wenn ich hier nicht sofort rauskomme,
werde ich verbrennen. Wo war ich? Für einen Moment
hatte ich jede Orientierung verloren.
Bevor ich meine Füße auf den Boden setzte, zwang ich
mich zu denken. Ich war in Mrs. Hilmers Wohnung. Die
Schlafzimmertür befand sich zu meiner Linken, in der
Verlängerung des Kopfendes. Dahinter war der kurze
Gang. Die Wohnungstür befand sich gleich hinter dem
Gang, auf der linken Seite.
Ich brauchte vielleicht zehn Sekunden, um den Weg im
Kopf durchzugehen. Dann sprang ich aus dem Bett. Ich
hielt den Atem an, als meine Füße die heißen Dielen
berührten. Ich hörte ein Prasseln über dem Kopf. Das
Dach hatte Feuer gefangen. Ich wusste, dass mir nur noch
Sekunden blieben, bis das ganze Gebäude einstürzen
würde.
Ich stolperte vorwärts, tastete nach der Tür. Gott sei
Dank hatte ich sie offen gelassen. Ich tastete mich an der
Wand weiter durch den Gang, an der leeren Türöffnung
des Badezimmers vorbei. Die Rauchschwaden waren hier
nicht mehr so dicht, aber dann loderte im Wohnzimmer
von der Küchenecke her eine Feuerwand auf. Die
Flammen beleuchteten den Tisch, und ich sah Computer,
Drucker und Handy. Die Reisetasche stand auf dem Boden
neben dem Tisch.
Ich wollte sie nicht verlieren. Sekundenschnell schob ich
den Riegel zurück und öffnete die Tür zum Treppenhaus.
Von meinen versengten Füßen stieg brennender Schmerz
auf. Ich biss die Zähne zusammen, rannte keuchend und
hustend zum Tisch, nahm Computer, Drucker und Handy
in die eine Hand, die Reisetasche in die andere, und floh
zurück zur Haustür.
Hinter mir sprangen die Flammen auf die Möbel über,
vor mir wallten dichte schwarze Rauchwolken das
Treppenhaus hinauf. Zum Glück war es eine gerade
Treppe, und ich schaffte es, irgendwie hinunterzustolpern.
Zuerst schien die Klinke der Außentür zu klemmen. Ich
stellte Computer, Handy und Tasche ab und drückte und
zog mit beiden Händen.
Ich muss raus, ich muss raus, dachte ich, als ich spürte,
dass meine Haare allmählich angesengt wurden. Ich nahm
meine allerletzte Kraft zusammen und drückte noch
einmal verzweifelt, und endlich gab die Klinke nach. Ich
stieß die Tür auf, bückte mich, nahm Computer, Handy,
Drucker und Reisetasche und stolperte ins Freie.
Als ich aus dem Rauch auftauchte, kam ein Mann die
Auffahrt heraufgerannt und konnte mich gerade noch
auffangen, bevor ich umsank. »Ist noch jemand da drin?«,
brüllte er.
Zitternd und zugleich brennend vor Hitze schüttelte ich
den Kopf.
»Meine Frau hat die Feuerwehr angerufen«, sagte er, als
er mich von dem mittlerweile in Flammen stehenden
Gebäude wegzog.
Ein Auto kam uns auf der Auffahrt entgegen. Ich war
nicht mehr voll bei Bewusstsein, dachte aber noch, es
müsse seine Frau sein, weil ich hörte, wie er sagte: »Lynn,
bring sie zu uns. Sie muss ins Warme. Ich werde auf die
Feuerwehr warten.« Dann sagte er zu mir:
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