Denn vergeben wird dir nie
gemacht, und ich besitze keinerlei Kopie
davon an einem anderen Ort.«
Seine Miene blieb ungerührt, aber ich bemerkte, dass
Officer Whites Mund sich zu einer dünnen, ärgerlichen
Linie verzog.
»Ich habe meine Handynummer auf das Schild
geschrieben, das ich vor dem Eingang von Sing-Sing trug.
Ich bin sicher, er hat Ihnen davon erzählt.« Ich machte
eine Bewegung mit dem Kopf in Richtung von White.
»Ich habe auch schon einen sehr interessanten Anruf von
jemandem erhalten, der Westerfield im Gefängnis gekannt
hat. Dieses Handy ist meine einzige Chance, mit ihm in
Kontakt zu bleiben. Ansonsten hätte ich erst darauf warten
müssen, mir ein neues zu kaufen und die Nummer
übertragen zu lassen. Was die schwere Reisetasche angeht:
Sie ist im Schrank. Möchten Sie ihren Inhalt einsehen?«
»Ja, das würde ich gerne.«
Ich stellte den Computer auf den Boden und stand auf.
»Ich werde sie holen«, sagte er.
»Es ist mir lieber, sie nicht aus der Hand zu geben.«
Ich versuchte, nicht zu humpeln, als ich durch das
Zimmer lief. Ich zog die Schranktür auf, holte die Tasche
heraus, trug sie zurück, stellte sie vor meinen Stuhl und
öffnete den Reißverschluss.
Ich spürte, mehr als dass ich sah, wie die beiden Männer
zusammenzuckten, als sie die Schlagzeile »SCHULDIG«
zu Gesicht bekamen.
»Es wäre mir lieber gewesen, Ihnen all dies nicht zeigen
zu müssen.« Heftig stieß ich die Worte hervor, während
ich Zeitung für Zeitung aus der Tasche holte und auf den
Fußboden warf.
»Meine Mutter hat all diese Zeitungen ihr Leben lang
aufgehoben.« Ich mühte mich nicht, meinen Zorn zu
verbergen. »Sämtliche Zeitungsberichte, angefangen von
der Entdeckung der Leiche meiner Schwester bis zum
Urteilsspruch für Rob Westerfield. Es ist keine besonders angenehme Lektüre, wohl aber eine interessante, und ich
möchte sie auf keinen Fall verlieren.«
Ich hatte die letzte Zeitung auf den Boden geworfen. Für
das Prozessprotokoll brauchte ich beide Hände. Ich zeigte
ihnen das Deckblatt. »Ebenfalls eine interessante Lektüre,
Detective Bannister«, sagte ich.
»Das glaub ich gern«, antwortete er mit unbewegtem
Gesicht. »Befindet sich noch etwas in der Tasche, Miss
Cavanaugh?«
»Falls Sie damit gerechnet haben, eine Flasche Spiritus
und eine Schachtel Streichhölzer zu finden, haben Sie
Pech gehabt.« Ich holte das lederne Köfferchen hervor und
öffnete es. »Bitte schauen Sie es sich an.«
Er warf einen Blick auf den Inhalt und reichte mir das
Köfferchen zurück. »Tragen Sie immer Ihren Schmuck
zusammen mit Zeitungen in einer Reisetasche mit sich
herum, Miss Cavanaugh, oder nur, wenn Sie befürchten,
es könnte ein Feuer ausbrechen?«
Er erhob sich, und White sprang sofort auf. »Sie werden
noch von uns hören, Miss Cavanaugh. Kehren Sie nach
Atlanta zurück, oder bleiben Sie noch länger in unserer
Gegend?«
»Ich werde in der Gegend bleiben und Ihnen meine neue
Adresse mitteilen. Ich fände es wünschenswert, wenn die
Polizei meinen neuen Aufenthaltsort besser überwachen
könnte, als sie es bei Mrs. Hilmers Haus getan hat. Meinen
Sie, dass das möglich wäre?«
Auf Officer Whites Wangen bildeten sich rote Flecken.
Ich wusste, dass er vor Wut kochte und dass ich ungerecht
war, aber in diesem Moment war mir das egal.
Bannister reagierte nicht, sondern drehte sich wortlos auf
dem Absatz um und verließ das Zimmer mit White an
seinen Fersen.
Ich blickte ihnen nach. Der Krankenpfleger trat ein, um
die Klappstühle zu holen. Er riss die Augen auf, als er
mich erblickte, das Prozessprotokoll auf dem Schoß, das
Schmuckköfferchen in der Hand, die Reisetasche und die
verstreuten Zeitungen vor mir auf dem Boden.
»Kann ich Ihnen beim Einsammeln helfen?«, fragte er.
»Oder soll ich Ihnen etwas bringen? Sie wirken, als ob
Sie sich geärgert hätten.«
»Ich habe mich geärgert«, bestätigte ich. »Und Sie
könnten mir wirklich etwas bringen. Gibt es eine Cafeteria
in diesem Krankenhaus?«
»Ja. Eine richtig gute sogar.«
»Hätten Sie vielleicht die Güte …« Ich machte eine
Pause, weil ich mich kurz vor einem hysterischen Anfall
befand. »Hätten Sie vielleicht die Güte, mich auf eine
Tasse sehr heißen Kaffee einzuladen?«
26
EINE HALBE STUNDE SPÄTER genoss ich gerade den
letzten Schluck des ausgezeichneten Kaffees, den mir der
Pfleger freundlicherweise spendiert hatte, als sich ein
weiterer, diesmal sehr überraschender Besucher einfand.
Mein Vater.
Die Tür
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