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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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stand halb offen. Er klopfte und trat ein, ohne
auf eine Antwort zu warten. Wir starrten uns an, und ich
bekam eine trockene Kehle.
    Sein dunkles Haar war silberweiß geworden. Er war
etwas dünner, hielt sich aber immer noch so aufrecht wie
früher. Eine Brille hob seine scharfen blauen Augen
hervor, und in seine Stirn hatten sich tiefe Furchen
eingegraben.
    Meine Mutter ermahnte ihn immer: »Ted, ich weiß, es ist
dir nicht bewusst, aber hör auf, die Stirn in Falten zu
legen, wenn du dich konzentrierst. Du wirst aussehen wie
eine Backpflaume, wenn du älter wirst.«
    Er sah absolut nicht aus wie eine Backpflaume. Er war
immer noch ein gut aussehender Mann und hatte diese
gewisse Ausstrahlung von innerer Kraft nicht verloren.
    »Hallo, Ellie«, sagte er.
»Hallo, Dad.«
Ich konnte mir unschwer ausmalen, woran er dachte, als
    er mich musterte, gehüllt in einen billigen Krankenhaus
bademantel, die Haare verfilzt, die Füße dick verbunden.
Sicherlich nicht an den leuchtenden Christbaumstern aus
dem Lied von Andreas Spieldose.
»Wie geht es dir, Ellie?«
    Ich hatte den tiefen Klang seiner Stimme vergessen. Es
war der Klang von ruhiger Autorität, vor dem Andrea und
ich als Kinder so viel Respekt gehabt hatten. Wir fühlten
uns davon beschützt, und zumindest mir flößte er
Ehrfurcht ein.
    »Danke, es geht mir sehr gut.«
»Ich bin sofort hergekommen, als ich von dem Brand bei
Mrs. Hilmer gehört habe und man mir erzählt hat, du seist
in der Wohnung gewesen.«
»Du hättest dich nicht zu bemühen brauchen.«
Er war bei der Tür stehen geblieben. Jetzt machte er sie
zu und trat zu mir. Er ging vor mir in die Hocke und
wollte meine Hände ergreifen. »Ellie, um Himmels willen,
    du bist meine Tochter. Was glaubst du, wie ich mich
gefühlt habe, als ich erfahren habe, dass du nur knapp dem
Tod entgangen bist?«
    Ich zog meine Hände zurück. »Ach, darüber wird man
bald anders reden. Die Polizei glaubt, ich hätte das Feuer
selbst gelegt. Ihrer Meinung nach wollte ich in der
Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und Mitgefühl erregen.«
    Er war schockiert. »Das ist ja lächerlich.«
Er war mir so nahe gekommen, dass ich einen Hauch
vom Duft seines Rasierschaums erhaschte. Täuschte ich
    mich, oder war es derselbe Duft, den ich in Erinnerung
hatte? Er trug Hemd und Krawatte mit einem
dunkelblauen Jackett und grauen Hosen. Mir fiel ein, dass
es Sonntagmorgen war und er sich wahrscheinlich gerade
für die Kirche fein gemacht hatte, als er von dem Feuer
hörte.
    »Ich weiß, dass du es gut meinst«, sagte ich, »aber mir
wäre es wirklich am liebsten, wenn du mich in Ruhe
lassen würdest. Ich brauche nichts von dir, und ich will
auch nichts von dir.«
    »Ellie, ich habe mir deine Website angeschaut.
Westerfield ist gefährlich. Ich mache mir wirklich sehr
große Sorgen um dich.«
    Nun, zumindest hatte ich eines mit meinem Vater
gemeinsam. Wir waren beide davon überzeugt, dass
Westerfield ein Mörder war.
    »Ich kann auf mich selbst aufpassen. Das tue ich schon
seit geraumer Zeit.«
Er erhob sich. »Das ist nicht meine Schuld, Ellie. Du
hast dich geweigert, mich zu besuchen.«
»Ja, das habe ich, du kannst also ruhigen Gewissens
gehen. Ich halte dich nicht auf.«
»Ich bin hergekommen, um dich einzuladen, um dich anzuflehen, bei uns zu wohnen. Dann könnte ich dich
beschützen. Falls du dich erinnerst: Ich war
fünfunddreißig Jahre lang bei der staatlichen Polizei.«
»Ich erinnere mich. Du sahst blendend aus in deiner
Uniform. Ach ja, ich habe dir doch geschrieben und dir
dafür gedankt, dass du Mutters Urne in Andreas Grab hast
beisetzen lassen, oder nicht?«
»Ja, das hast du.«
»Auf dem Totenschein war als Todesursache
›Leberzirrhose‹ angegeben, aber ich glaube, die richtige
Diagnose wäre ›gebrochenes Herz‹ gewesen.«
»Ellie, deine Mutter hat mich verlassen.«
»Meine Mutter hat dich abgöttisch geliebt. Du hättest
abwarten können. Du hättest ihr nach Florida folgen und
sie zurückholen, uns zurückholen können. Aber das
wolltest du nicht.«
Mein Vater langte in seine Tasche und zog seine
Brieftasche hervor. Ich hatte schon Angst, er würde
versuchen, mir Geld anzubieten, aber meine Befürchtung
war grundlos. Er entnahm der Brieftasche eine
Visitenkarte und legte sie auf das Bett. »Du kannst mich
jederzeit anrufen, Ellie, Tag und Nacht.«
Dann ging er hinaus, doch der schwache Duft seines
Rasierschaums schien noch länger im Raum zu schweben.
Ich

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