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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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hatte vergessen, dass ich manchmal auf dem Rand der
Badewanne gesessen und mich mit ihm unterhalten hatte,
während er sich rasierte. Ich hatte vergessen, dass er sich
manchmal umgedreht, mich hochgehoben und sein
Gesicht, das voll mit Rasierschaum war, gegen meines
gerieben hatte.
Die Erinnerung war so stark, dass ich unwillkürlich
meine Wange mit der Hand berührte, als ob ich erwartete,
die Reste der feuchten Schaumflocken zu spüren. Meine
Wangen waren tatsächlich feucht, aber es waren meine
Tränen, die ich, zumindest in diesem Moment, nicht
länger zurückhalten konnte.

27
    ZWEIMAL VERSUCHTE ICH in der folgenden Stunde,
Marcus Longo zu erreichen. Dann fiel mir ein, dass er
irgendwann erwähnt hatte, seine Frau würde ungern allein
fliegen. Es war gut möglich, dass er nach Denver geflogen
war, um sie abzuholen, und dabei die Gelegenheit nutzte,
sein erstes Enkelkind ein weiteres Mal anzuhimmeln.
    Die Krankenschwester steckte den Kopf zur Tür herein
und erinnerte mich daran, dass ich bis Mittag Zeit hätte,
das Krankenhaus zu verlassen. Um halb zwölf war ich
kurz davor zu fragen, ob es im Krankenhaus eine Stelle für
Sozialfälle gebe, aber dann rief Joan an.
    »Ellie, ich habe gerade gehört, was passiert ist. Um
Himmels willen, wie geht es dir? Kann ich etwas für dich
tun?«
    All mein anfänglicher Stolz, ihre Hilfe abzulehnen, weil
sie nicht daran glaubte, dass Rob Westerfield eine
mordende Bestie war, schmolz dahin. Ich brauchte sie,
und ich wusste nur zu gut, dass sie genauso ehrlich von
seiner Unschuld überzeugt war wie ich von seiner Schuld.
    »Du kannst wirklich eine ganze Menge für mich tun«,
sagte ich. Meine Stimme zitterte, so erleichtert war ich,
dass sich jemand meiner annahm. »Du könntest ein paar
Sachen zum Anziehen für mich auftreiben. Du könntest
kommen und mich abholen. Du könntest mir helfen, eine
Unterkunft zu finden. Du könntest mir etwas Geld leihen.«
    »Du kannst erst mal bei uns wohnen …«, begann sie.
»Abgelehnt. Nein. Das ist weder eine gute noch eine
sichere Lösung, für keinen von uns. Am Ende geht dein
Haus auch noch in Flammen auf, bloß weil ich mich dort
aufhalte.«
»Ellie, du glaubst doch nicht etwa, dass jemand das
Feuer absichtlich gelegt hat, um dich zu töten?«
»Doch, genau das glaube ich.«
Sie dachte einen Moment über diese Neuigkeit nach, und
ganz sicher dachte sie auch an ihre drei Kinder. »Aber wo
wärst du denn in Sicherheit, Ellie?«
    »Am liebsten würde ich in ein Gasthaus gehen. Ein
Motel wäre mir nicht so angenehm, wegen der separaten
Eingänge.« Dann fiel mir etwas ein. »Und vergiss das
Parkinson Inn. Es ist ausgebucht.« Außerdem begegnet
man dort den Westerfields, dachte ich.
    »Mir fällt da etwas ein, was passen könnte«, sagte Joan.
»Außerdem habe ich eine Freundin, die in etwa deine
Größe und dein Gewicht hat. Ich rufe sie an, um ein paar
Kleider auszuleihen. Was hast du für eine Schuhgröße?«
»Dreiundvierzig, aber ich glaube nicht, dass ich schon
den Verband von den Füßen abnehmen kann.«
»Leo hat fünfundvierzig. Wenn es dir nichts ausmacht,
ein Paar von seinen Freizeitschuhen zu tragen, dann
müssten die fürs Erste reichen.«
Es machte mir nichts aus.
    In weniger als einer Stunde war Joan da, in der Hand einen
Koffer mit Unterwäsche, Schlafanzug, Strümpfen, Hose,
einem Pullover, einer warmen Jacke, Handschuhen, den
Freizeitschuhen und ein paar Toilettenartikeln. Ich zog
mich an, und die Schwester brachte mir noch einen
Gehstock, der mir das Gehen erleichtern sollte, bis die
Brandblasen an meinen Füßen verheilt wären. Vor dem
Verlassen des Krankenhauses hatte man im Verwaltungs
büro widerstrebend eingewilligt, von einer sofortigen
Zahlung abzusehen, nachdem ich ihnen zugesichert hatte,
ihnen eine Kopie meiner Krankenversicherungskarte
zufaxen zu lassen.
    Endlich saßen wir in Joans Geländewagen. Meine Haare
hatte ich geglättet und zurückgestrichen, sie wurden im
Nacken von einem Gummiband gehalten, das ich mir bei
der Schwesternstation besorgt hatte. Ein flüchtiger Blick
in den Spiegel überzeugte mich davon, dass sie
einigermaßen ordentlich aussahen. Die geliehenen Kleider
passten recht gut, und obwohl die Schuhe breit und
unelegant aussahen, schützten sie wenigstens meine
schmerzenden Füße.
    »Ich habe ein Zimmer für dich im Hudson Valley Inn
reserviert«, sagte Joan. »Es ist ungefähr eine Meile von
hier entfernt.«
    »Wenn es dir

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