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Denn vergeben wird dir nie

Denn vergeben wird dir nie

Titel: Denn vergeben wird dir nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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dass ich Recht habe.
Joan, Leo und ihre drei Söhne saßen an einem Ecktisch,
als ich das Il Palazzo betrat. Ich erinnerte mich vage an
Leo. Er war in die letzte Klasse an der OldhamHighschool gegangen, als Joan und Andrea im zweiten
Jahr waren.
Wenn Leute aus jener Zeit mich zum ersten Mal
wiedersehen, denken sie unweigerlich zuerst an Andreas
Tod. Entweder sie machen dann darüber eine Bemerkung,
oder sie sind sichtlich darum bemüht, das Thema zu
umschiffen.
Die Art, wie Leos Begrüßung ausfiel, gefiel mir. »Ich
kann mich gut an dich erinnern, Ellie. Ein paar Mal warst
du mit Andrea bei Joan, als ich vorbeikam. Du warst ein
ernstes kleines Mädchen.«
»Jetzt bin ich ein ernstes großes Mädchen«, antwortete
ich.
Ich mochte ihn sofort. Er war gut ein Meter achtzig groß,
kräftig gebaut und besaß hellbraunes Haar und intelligente
dunkle Augen. Sein Lächeln ähnelte demjenigen von Joan,
es war voller Herzlichkeit. Man fasste sofort Vertrauen zu
ihm. Ich wusste, dass er Börsenmakler war, deshalb nahm
ich mir vor, mich an ihn zu wenden, falls ich irgendwann
einmal zu Geld kommen sollte. Ich war mir sicher, auf
seinen Rat, wie ich es am besten anlegen sollte, voll
vertrauen zu können.
Die Jungen waren zehn, vierzehn und siebzehn Jahre alt.
Der älteste, Billy, war im letzten Jahr an der Highschool
und erzählte mir sofort, dass seine Basketballmannschaft
gegen die von Teddy gespielt habe.
»Teddy und ich haben uns darüber unterhalten, auf
welches College wir gehen wollen, Ellie«, sagte er. »Wir
bewerben uns beide für Dartmouth und Brown. Ich hoffe
nur, dass wir auf demselben landen. Er ist ein netter Typ.«
»Ja, das ist er«, stimmte ich zu.
»Du hast mir gar nicht erzählt, dass du ihn kennen
gelernt hast«, sagte Joan.
»Er kam kurz beim Gasthaus vorbei, und wir haben ein.
paar Minuten miteinander gesprochen.«
Ein zufriedener Ausdruck erschien auf ihrem Gesicht.
Ich wollte gerade sagen, dass die große Feier zur
Wiedervereinigung der Familie Cavanaugh noch nicht
bevorstehe, aber da wurden die Speisekarten gebracht, und
Leo war klug genug, das Thema zu wechseln.
Als Teenager habe ich ziemlich oft Kinder gehütet, und
ich bin immer gern mit ihnen zusammen gewesen. In
meinem Job in Atlanta bekam ich Kinder nicht gerade oft
zu sehen. Deshalb war es eine wahre Freude für mich, mit
diesen drei Jungen zusammenzusitzen. Während sie ihre
Muscheln und Pasta aßen, erzählten sie mir von ihren
Aktivitäten, und ich versprach Sean, dem Zehnjährigen,
bei Gelegenheit mit ihm Schach zu spielen.
»Ich bin gut«, warnte ich ihn.
»Aber ich bin besser«, gab er zurück.
»Das werden wir dann schon sehen.«
»Wie war’s morgen? Morgen ist Sonntag, da sind wir zu
Hause.«
»Tut mir Leid, aber morgen habe ich schon so viel vor.
Aber bald, ich versprech’s dir.« Dabei fiel mir etwas ein,
und ich wandte mich an Joan. »Ich hab vergessen, den
Koffer mit den Sachen, die ich zurückgeben wollte, ins
Auto zu stellen.«
»Bring ihn doch morgen vorbei, dann können wir eine
Partie spielen«, schlug Sean vor.
»Jetzt iss erst mal«, sagte Joan. »Wie war’s mit Brunch
um halb zwölf?«
»Hört sich gut an«, sagte ich.
Die Bar im Il Palazzo befand sich direkt neben dem
Eingangsbereich, durch eine Glaswand vom Speisesaal
abgetrennt. Beim Hineingehen hatte ich nicht auf die dort
sitzenden Leute geachtet. Aber während des Essens war
mir aufgefallen, dass Joan manchmal mit besorgtem Blick
an mir vorbeischaute.
Wir tranken gerade unseren Kaffee, als ich den Grund
für ihre Besorgnis erfuhr.
»Ellie, Will Nebels sitzt schon die ganze Zeit an der Bar,
schon bevor du gekommen bist. Jemand muss ihn auf dich
aufmerksam gemacht haben. Jetzt ist er auf dem Weg zu
unserem Tisch, und so, wie er aussieht, ist er ziemlich
besoffen.«
Die Warnung kam zu spät. Ich spürte zwei Arme, die
sich um meinen Hals legten, und einen feuchten KUSS auf
der Wange. »Die kleine Ellie, das gibt’s doch nicht, die
kleine Ellie Cavanaugh. Weißt du noch, wie ich deine
Wippe repariert habe, Schätzchen? Dein Daddy war nicht
so geschickt mit den Händen. Deine Mama hat mich
andauernd angerufen: ›Will, dies muss repariert werden,
das muss repariert werden. Will …‹«
Er küsste mich am Ohr und im Nacken.
»Lass sie sofort los«, sagte Leo scharf. Er war
aufgesprungen.
Ich hatte keine Möglichkeit zu entkommen. Nebels
lehnte mit vollem Gewicht über mir. Seine Arme drückten
auf meine

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