Denn wer zuletzt stirbt
haben sich drei Tage lang nicht gemeldet, und jetzt plötzlich tun sie weh?«
Nun hatte Patient Hoffmann auch noch widersprochen! Zur Strafe ab ins Röntgen! Widerspruch sinnlos, ich kam zu meinem ersten Ausflug für diese Nacht.
Natürlich waren im Röntgen gebrochene Rippen zu sehen, rechts, auf der Seite, mit der ich auf das Lenkrad geknallt war. Der Befund war bekannt. Die neuen Schmerzen hingegen schikanierten mich links. Aber meine Kollegen hatten inzwischen Zeit zum ruhigen Nachdenken gehabt, im Gegensatz zu mir tat ihnen ja auch nichts weh.
»Vielleicht ist es eine Lungenembolie!«
Ich mache den Kollegen keinen Vorwurf, denn bei jedem Symptom ist es wichtig, eine eventuell lebensgefährliche Ursache auszuschließen. Also lief bei ihnen folgende Denkkaskade: Hoffmann hat atemabhängige Schmerzen. Eine übersehene Rippenfraktur haben wir ausgeschlossen. Es kann die Lungendrainage sein, klar. Aber Kollege Hoffmann ist frisch operiert und liegt im Bett. Was fürchten wir da? Eine Lungenembolie. Und wie äußert sich eine Lungenembolie? In atemabhängigen Schmerzen. Und wie äußert sich eine unbehandelte Lungenembolie? Häufig im Tod des Patienten. Also nichts da mit einfach den Schmerztropf schneller stellen. Ab in die Nuklearmedizin zum Lungenszintigramm. Der Schmerztropf wurde zur Sicherheit abgestellt, damit der unbeobachtete Patient nicht selbst daran herumfummelt.
Das Vorgehen war total richtig, und im Prinzip ist ein Lungenszintigramm auch schnell gemacht. Aber natürlich griff jetzt Grundregel Nummer 2, mach bloß keinen Fehler, und erst recht nicht, wenn der Patient Kollege ist. Also meinte der diensthabende Kollege, er sei mehr Röntgenologe als Nuklearmediziner, und rief seinen Oberarzt zu Hause aus dem Bett. Und der ließ es sich nicht nehmen, für den Kollegen Hoffmann lieber selbst in die Klinik zu kommen. So dauerte die Aktion Lungenszintigramm, bei abgestelltem Schmerztropf, gute drei Stunden. Schließlich war es keine Lungenembolie, es war tatsächlich der Schlauch von meiner Lungendrainage, der bei inzwischen gut entfalteter Lunge am Rippenfell kratzte. Also wurde endlich der Schlauch etwas zurückgezogen, der Schmerztropf wieder angestellt, und es ward Morgen. Und ich wollte meinen Heilschlaf nachholen.
»Nix da, raus aus dem Bett. Wir wollen doch keine Lungenembolie riskieren!«
Wie gesagt, die Zeiten des Krankenhauses als Stätte der Barmherzigkeit sind lange vorbei.
Aus meinem Heilschlaf wäre ohnehin nichts geworden, es gab mal wieder Besuch.
»Hauptkommissar Czarnowske, Kriminalpolizei«, stellte der sich mit traurigem Blick vor. Leichtes Schnaufen, tränende Augen. Hauptkommissar Czarnowske hatte offensichtlich keinen Parkplatz mehr auf dem Klinikgelände bekommen.
»In den Ermittlungen zu Ihrem Unfall haben ein paar Aspekte dazu geführt, daß wir von der Kripo eingeschaltet wurden. Sie verstehen, immerhin hat es zwei Tote gegeben.«
Der Kommissar musterte mich, schien abzuwägen, ob der Tod wirklich den Richtigen verschont hatte.
»Die beiden Toten tun mir leid, natürlich. Aber alles, woran ich mich erinnere, habe ich bereits Ihren Kollegen gesagt.«
»Ihnen ist also weiterhin nichts eingefallen?«
»So ist es. Und Sie wissen, daß das nicht ungewöhnlich ist.« Unnötige Verteidigung, ein klarer Fehler. Nicht noch einmal, Hoffmann!
Czarnowske hielt nach einem Platz für seine Kilos Umschau und ließ sich auf den unbequemen Holzstuhl für Besucher niederplumpsen. Dann holte er ein Notizbuch hervor, auch er hatte seinen Stift mit einer kleinen Schnur daran befestigt. Vermutlich eine neue Dienstvorschrift.
»Das ist nicht ungewöhnlich, da haben Sie recht, Herr Doktor. Trotzdem, irgendwie habe ich Schwierigkeiten mit der Sache. Da fahren Sie bei Nacht und Nebel und Schnee in der märkischen Schweiz umher, und in derselben Nacht ist ausgerechnet Ihre ehemalige Mitarbeiterin Margitta Seeger auf derselben Landstraße unterwegs, rein zufällig, und ausgerechnet mit ihr sind Sie in einen Unfall verwickelt.«
Kommissar Czarnowske hatte keine Frage gestellt, also halt die Klappe, Hoffmann. Keine ungefragte Antwort, kein Erklärungsversuch. Stumm nickte ich vor mich hin, sprachlos angesichts der unglaublichen Zufälle im wirklichen Leben da draußen. Der Kommissar sah ein, daß er schon mit einer direkten Frage kommen mußte.
»Warum – wenn Sie sich daran erinnern können –, warum sind Sie an diesem Abend in die märkische Schweiz gefahren?«
»Um einen entsetzlich
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